Sizilien verschwindet im Kielwasser…
Auch wenn diese größte Insel des Mittelmeers wunderschön ist – für uns hatte sie zuletzt den Beigeschmack des Festhängens, der Zwangspause über diesen Corona-Winter. Deshalb fühlt es sich an wie ein Befreiungsschlag als wir Ende Mai endlich Richtung Sardinien starten können.
Ein ganzer Tag, eine Nacht und nochmals ein halber Tag komplett auf See liegen vor uns. Die Strecke kennen wir jetzt schon, sind wir sie ja letztes Jahr hin und – ungeplant – auch wieder zurück gesegelt.
Zu Anfang bekommen wir noch teils mit, was an der Südküste Siziliens durch die Nähe zu Afrika doch leider immer wieder an der Tagesordnung ist – 4 Helikopter kreisen in weiter Entfernung, Armee Jets überfliegen uns mehrmals, und wir hören Funksprüche der Küstenwache. Ein unschönes Gefühl. Auch wenn es nicht direkt in unserer Nähe ist, so bekommt es doch einen andere Ausprägung als zuhause auf dem Sofa. Das Wissen, dass sich hier Dramen abspielen bedrückt einen, wir können uns dem nicht entziehen. Das Meer ist noch eiskalt um die Jahreszeit.
Bald verlassen wir diese Gewässer allerdings, und wir erleben die schönen Seiten des Fahrtensegelns. Ein Delphin kommt längsseits und taucht kurz unter uns durch. Und wir sehen Schildkröten – und zwar über den Tag verteilt insgesamt 10 Stück. Aber so behäbig sie auch aussehen, sobald wir näher kommen tauchen sie blitzschnell ab. Auf den Fotos kann man mit viel Mühe den Kopf erahnen. Die erste Zeit können wir unglaublich schön segeln, 22 Knoten Wind, wir machen 7 Knoten Fahrt. Herrlich. Endlich wieder richtig unterwegs. Der Wind schläft später leider immer wieder ein, wir nehmen die Genua rein und raus. Wir begegnen einem Fischer der kein AIS System an hat- angeblich passiert das ja nicht. Ganz kurz denke ich da doch an Boris Herrmann und die Vendée Globe…Als es dunkel wird bemerken wir, dass unsere Positionslampen (vorne am Bug ein in Fahrtrichtung rechts grünes und links rotes Licht, das uns zum einen sichtbar macht, zum anderen durch die Farbe im Dunkeln unsere Fahrtrichtung anzeigt) – wieder nicht funktionieren. Wir dachten wir hätten diesmal alles vor Start gecheckt – die haben wir vergessen vor lauter Start-Euphorie. Und natürlich geht genau das nicht, was nicht gecheckt wurde. Wir haben für unser Beiboot eine kleine batteriebetriebene Laterne mit grün/rot Licht- die installieren wir als Notlösung am Bug. Klappt ganz gut.
Es scheint eine starke Strömung zu herrschen- wir machen unter Motor 7,5 Knoten Geschwindigkeit- also kommen ca 1,5 Knoten von der Strömung. In dieser Richtung macht das Spaß. Für die Nacht entscheiden wir uns das Vorsegel und Motorunterstützung laufen zu lassen.
Es ist Vollmond wenn auch etwas bedeckt. Aber immerhin, somit ist nicht pitschschwarze Nacht, sondern eigentlich ganz gute Sicht. Teils können wir den Motor auch auslassen, und ziehen mit der Genua durch die Nacht mit immerhin noch 4 Knoten. Ab ein Uhr nachts wird es spannend- Gewitter ziehen auf. Zum ersten Mal kann ich nachts auf dem Radar die Gewitterzellen sehen- und sie kommen immer näher. Der Himmel nordwestlich ist taghell von Blitzen, teils im Sekundenabstand. Optisch ein absolutes Highlight. Genießen kann man das aber eher nicht – es heißt wenn möglich besser ausweichen. Einen Blitzeinschlag wollen wir nicht riskieren. Die wichtigsten Geräte habe ich, als faradayschen Käfig nutzend, in den Backofen gepackt (Das führt Tage später im übrigen zu einer langen Suche nach dem Handfunkgerät und dem ipad – bis es mir nach einer Stunde wieder einfällt…). Und so fahre ich in meiner Schicht kräftig Slalom mitten auf dem Meer. Unser Track sieht aus als hätten wir zuviel Rotwein erwischt. Aber ich schaffe es allen auszuweichen. Guido hat in seiner Schicht fast genauso viel Glück- bis auf einen kräftigen , sandigen Regenguss. Den verschlafe ich komplett.
Obwohl es tagsüber in Landnähe bereits gute 25 Grad hat, ist es vor allem nachts hier draussen weit weg vom Land noch sehr kalt- mit fortschreitender Stunde und auch Müdigkeit legen wir immer noch eine Lage an Kleidung an. Nur um uns dann morgens in der Sonne von Skiunterwäsche und doppelter Fleecejacke unter dem Ölzeug wieder bis auf kurze Hose und T-Shirt zu entzwiebeln.
Gegen 13 Uhr laufen wir Villasimius im Südosten Sardiniens an. Zur Begrüßung zieht eine Delphinschule durch die Bucht. Der Anker fällt auf 6 Meter herrlichem Sandboden in türkisblauem Wasser. Guido springt ins Wasser, mir ist es noch etwas zu kalt.
Den Rest des Tages „versandeln“ wir an Bord, teils schlafend, teils sonnend. Sonst ist außer Nahrungsaufnahme und reiner Freude da zu sein nicht mehr viel mit uns los.
Ausflug in die Hauptstadt
Am nächsten Morgen starten wir früh in die Marina von Villasimius. Wir planen einen Ausflug nach Cagliari, Sardiniens Hauptstadt. Mietautos sind noch nicht zu bekommen, es ist noch vor der Saison. Taxi ist uns zu teuer für die über 50 Kilometer. Also Bus. Da die nächste Haltestellt im 4 km entfernten Ortskern von Villasimius liegt, gönnen wir uns bis dahin allerdings ein Taxi. In einem nagelneuen Mercedes Bus mit Fahrer mit Hemd und Krawatte fahren wir also bei der Bushaltestelle vor. Der Umstieg ist doch kurz gewöhnungsbedürftig. Aber der Bus ist sauber und nicht mal halb voll. Im Internet steht, wir können im Bus ein Ticket lösen. Ja, das Internet lag falsch – wir sollen mit der App bezahlen konstatiert der Fahrer. Also laden wir in den Serpentinen (nicht runter schauen) mühsam die App runter. Aber auch nach mehrfachen Versuchen mit zwei Handys schaffen wir es nicht die Bezahlfunktion zu aktivieren. Also schwarz fahren. Das kennen wir schon aus Bari. Kann ich ja gar nicht gut. Aber aussteigen mitten auf der Strecke kommt auch nicht in Frage. Wir machen Screenshots der Fehlermeldung falls eine Kontrolle kommt. Bei einem deutschen Schaffner würde das wahrscheinlich nicht viel bringen. Die Strecke ist wunderschön, und so lassen wir es sein die Köpfe ins Handy zu stecken und genießen die Aussicht auf türkise Badebuchten. Nach 1.5 Stunden erreichen wir Cagliari.
Da wir am Hafen ankommen machen wir uns als erstes auf den Weg zum Luna Rossa Trainingslager. Das ist die Americas Cup Mannschaft von Prada- und Pirelli.
Auch wenn mir das mittlerweile zu technisch geworden ist, werden da dennoch unglaubliche seglerische Leistungen gezeigt. Die Boote dazu gefielen uns früher aber besser.
Das Lager ist aber leer, alle ausgeflogen.
Also auf Richtung Altstadt.
Erstmal stärken wir uns in der Marina in der schicken Hublot Bar. Warum eine Uhrenmarke eine Bar betreibt, bzw ihren guten Namen dafür hergibt und dann nicht mal irgendwo eine Uhr zu sehen ist entzieht sich meinem Verständnis, aber die Verantwortlichen werden sich irgendetwas dabei gedacht haben. Aber die Bar ist sehr schön, und toll gelegen. Gestärkt starten wir den Rundgang. Und wir finden die Altstadt von Cagliari wunderschön. Zum Teil mutet sie fast französisch an, dann wieder uritalienisch. Auf jeden Fall aber schön. Wir steigen auf die Bastione Saint Remy hinauf und genießen den Blick über die alte und neue Stadt und die Bucht. Fünf Stunden durchstreifen wir die Stadt.
Da unser Bus um 18 Uhr wieder startet, und wir somit zur italienischen Un-Zeit unterwegs sind was essen betrifft, kann ich keinen Restaurantbericht hinzufügen. Und so geht es mit der bewährten Kombi- Bus und Taxi wieder Richtung Marina. Wobei wir ausgehungert in Villasimius im Ort einen Stopp zum Essen einlegen.
Wir sind sehr zufrieden mit unserem Abenteuer-Ausflug, aber auch ziemlich geschafft. So viel laufen sind wir gar nicht gewöhnt gerade.
Am nächsten Morgen machen wir noch ein paar fällige Arbeiten - es hört nie ganz auf- am Boot, befreien die Blue Baloo vom Salz der Überfahrt und machen uns dann auf den Weg ins -für uns- Neuland- die Ostküste Sardiniens soll es werden für die nächsten Wochen.