Wir kommen jetzt langsam in den Bereich der Costa Smeralda, im Nordosten Sardiniens.
Dieser Küstenabschnitt, der sich vom Großraum Olbia über die Maddalena-Inseln bis nach Palau im Norden erstreckt ist berühmt-berüchtigt für die Reichen und Schönen, für Stars und Sternchen. Porto Cervo haben viele schon mal gehört, Puff Daddy (heißt er grad so, kennt den noch einer?) urlaubt hier genauso gerne wie Beyoncé oder Leonardo di Caprio. Wie es bei den heutigen Influencern aussieht, da muss ich leider passen- ob da außer Dubai noch was anderes in Frage kommt. Zuletzt erlangte dieser Teil Sardiniens traurige Berühmtheit, da u.a. die ansässige Discothek (Club..) von Flavio B. sich für Sardinien letztes Jahr zum Supergau im Sinne von Corona-Superspreader-Location entwickelte.
Gegründet wurde die Costa Smeralda übrigens komplett auf dem Papier- Agha Kahn und weitere potente Geschäftsmänner seiner Zeit taten sich Anfang der 60er Jahre zusammen, kauften einigen Schäfern die 50 km Küste für einen Apfel und ein Ei ab und gründeten das Consorzio Costa Smeralda. Dieses entwickelte die wunderschöne einsame Küstenregion zum hochklassigen und hochpreisigen Touristenmagnet – allerdings unter strengen Auflagen. Jedes Immobilienprojekt musste durch das Consorzio genehmigt werden, es musste im eigens neu entwickelten mediterran-sardischen Stil und unter Verwendung lokaler Ressourcen gebaut werden. Zudem durfte die Höhe der Gebäude die der Bäume nicht überschreiten. Dadurch wurde zwar zum einen eine ganze Küste künstlich entwickelt – der Ort Porto Cervo zum Beispiel ist auch vom Consortium gegründet worden. Und der ein oder andere Nachfahr der besagten Schäfer wird sich heute noch ärgern über die erzielten Grundstückspreise. Zum anderen aber wurde so verhindert, dass in der Entwicklung von Sardinien Hochhausbettenburgen entstanden. Es gibt ja an den mediterranen Küsten Europas leider genug schlechte Beispiele aus den 60ern und 70ern Jahren, die zeigen wie es sonst aussehen könnte.
Wodurch man aber vor allem merkt, dass man an die Costa Smeralda kommt? An der schieren Größe der Boote, und an deren Menge. Wenn sich in Kroatien ein 60 Fuß Schiff in die Nähe einer Bucht verirrt, ist die Aufregung groß, und Handys werden gezückt, um Bilder zu machen. Hier ist 60 Fuß die Norm, 100 Fuß ist spannend, und wirklich groß sind 100 Meter. Ja, Meter. Da kann man entspannt an Deck spazieren gehen. Olympiaschwimmbecken und Helikopterlandeplatz inklusive. Da sind dann die Beiboote größer als wir mit unseren 44 Fuß.
So viele wie Anfang Juni hier schon herumrauschen, da möchte ich nicht wissen, wie es im Juli oder August aussieht. Die beigefügten Bilder sind von einem einzigen Nachmittag. Die ganz großen Boote sind kein Problem, diese Schiffe werden von Berufskapitänen gefahren, die zum einen die Regeln kennen und auch keinen Stress haben wollen. Interessant oder teils anstrengend sind die „kleineren“ 60 Fuß Boote, die teils die Vorfahrtsregeln entweder nicht kennen, oder bewußt ignorieren. Ein paar Mal kämpfen wir mit starken Wellen, verursacht durch Motorboote, die mit Riesenspeed nah an uns vorbeisausen. Auch das scheint den meisten entweder nicht bewusst oder aber auch einfach egal zu sein, dass uns quasi das Geschirr um die Ohren fliegt. Lustig zu beobachten und zu hören ist ein Funkspruch. Eine dieser Riesenyachten funkt das Boot der Guardia di Finanzia an, um auf seinem Wegerecht zu bestehen. Die Guardia hat nicht mal geantwortet und ist knapp an ihnen vorbeigeschossen. Kurz mal gezeigt wo der Hammer hängt. Nun, dafür fehlen uns die PS, und dann letztlich auch die Lust.
Wir starten an einem Vorläufer der Costa Smeralda, in Puntaldia, mit seinen karibischen Stränden, Lo Impostu und Brandinchi.
Am Brandinchi Strand habe ich einige Urlaube meiner Kindheit verbracht. Allerdings hatte ich das einsamer in Erinnerung. Karibik Feeling mit türkisenem Wasser, weißem Sand, und im Hintergrund immer sehr erhaben der Tavolara-Berg. Aber wo ich mein Handtuch noch unterbringen sollte unter Einhaltung sowohl des Corona-bedingten, als auch meines persönlichen Mindestabstands ist mir fast schleierhaft. Scheint sich in den "paar Jahren" seit damals doch herumgesprochen zu haben, dass das hier ein ausgesprochen schöner Strand ist. Auch Lo Impostu direkt daneben ist ein Bilderbuchstrand.
Wir ankern fast eine Woche vor Brandinchi. Der Vorteil auf dem Boot ist ja immer, dass wir nicht an den Strand müssen- wir können direkt vom Boot ins kristallklare Wasser hüpfen. Und wer da mit dabei ist, da brauchts auch keinen Mindestabstand. Oder wie es im Brandner Kaspar so schön heißt: „Der Himmel der Bayern – das ist da, wo einer aufpasst, dass keine Deppen nei kommen“. So schön und so einfach. Übrigens bayerisches Kulturgut, wunderbar im Volkstheater, aber auch sehr niedlich aktuell filmisch umgesetzt vom Bully Herbig. Genug abgewichen vom Thema.
Bis auf gelegentlich vorbei rauschende Motoryachten- die wir winkend und brüllend davon abhalten ebenfalls unter die 10 Meter Grenze zu uns zu kommen - gibt es jetzt auch ein ganz tolles neues Gimmick im Regal der Superyachten: Kurze Boards mit Motorantrieb. Da steht man cool drauf wie ein Surfer, braucht aber keine Welle und somit auch kein Können, und rauscht durch die Bucht. Benzin ist leider auf dem Motorboot selten ein knappes Gut, die Dinger sind klein, und die Langeweile anscheinend groß. Also wird kurz nach Ankerwurf für jeden an Bord so ein Höllengerät ausgepackt und los kann es gehen. Je geübter der Fahrer wird, umso enger zieht man lautstark die Runden im scheins eigens abgesteckten Slalomfeld der anderen ankernden Boote. Da empfiehlt es sich dann die Schwimmrunden ganz eng um das eigene Boot zu absolvieren. Ähnlich wie bei den deutlich größeren Jetski – einer hat Spass und die ganze Bucht k… Kleine Empfehlung: wer sowas mal ausleiht – fahrt raus aus der Bucht!
Schall trägt zum einen über Wasser weit, und man sieht Schwimmer einfach schlecht.
Lo Impostu:
Und natürlich gibt es immer was am Boot zu tun - hier ziehen wir die Logge mal wieder raus. Heisst wir nehmen einen Propfen aus dem Rumpf heraus, der ein Rädchen dran hat. Durch die Bewegung des Rädchens wenn wir fahren können wir die Bootsgeschwindigkeit ermitteln, unabhängig vom GPS. Durch kleine Muscheln wird das Rädchen immer mal wieder blockiert. Am besten rausnehmen und in Essig einweichen. Da beim Rausnehmen ein Loch im Rumpf entsteht, muss man schnell den sogenannten Blindstopfen reinsetzen. Und nach dem Einweichen selbes Prozedere wieder zurück. Bilder vom Doing selbst sind eher schwierig - hier muss es schnell gehen, um möglichst wenig Salzwasser ins Boot zu bekommen.
Nach einer dennoch wunderbaren Woche vor Anker in der Brandinchi Bucht zieht es uns in die Marina di Puntaldia direkt nebenan. Im Juni ist diese noch recht günstig für uns mit 38 Euro die Nacht. Ab Juli steigt der Preis ganz deutlich und endet bei knapp 200 im August. Wahnsinn. Wasser und Strom immerhin inklusive ;-) Die Einfahrt ist dermaßen eng, dass der Puls beim Einfahren kaum mehr messbar ist. Keine Ahnung wie die ganzen großen Yachten hier so entspannt reintuckern- für uns war es ein Abenteuer. Aber tatsächlich eine Bilderbuchmarina, im typischen Stil der Küste, mit Restaurants und allem was man so braucht oder brauchen könnte. Nur der Supermarkt hat noch nicht Saison, hier wird noch fleissig renoviert. Hier wettern wir den Starkwind ab und sonnen uns am nahen Strand. Einen Abend machen wir einen Ausflug ins nahe San Teodoro zum Essen und geniessen den Bummel über den Nachtmarkt dort und das abends schon recht belebte Örtchen.
In Puntaldia bekommen wir auch unseren neuen Anker- einen Rocna 33. Der Rolls Royce unter den Ankern. Um einen Vergleich zu probieren: Das ist so, als ob man sein Auto mit einer Keramikbremse für teuer Geld nachrüstet. In 99% der Fälle völlig überdimensioniert und man kann zu recht die Frage stellen ob das nötig ist- aber für dieses eine Prozent ist es ziemlich beruhigend sie zu haben. Unser 25 kg Bügelanker ist für unsere Größe und Gewicht eigentlich richtig. Aber wenns mal arg wird sind 33 kg einfach besser als 25kg- und heisst für uns- ruhig schlafen in der Ankerbucht. Zudem ist der Rocna speziell geformt, um sich auch bei Winddrehungen wieder fest im Sand einzugraben. Wir haben allerdings bis zuletzt Sorge ob der Anker bei uns in den Ankerkasten reinpasst. Aber- sitzt wie angegossen, und so sehen wir vergnügt den nächsten Ankerabenteuern entgegen.
Zuletzt lernen wir am Steg in der Marina noch ein sehr nettes Paar von einer 60 Fuss Motoryacht kennen, mit welchen wir einen feucht-fröhlichen langen letzten Abend auf deren Boot verbringen. Schon beeindruckend viel Platz da drauf.
Weiter geht es Richtung Tavolara, wir ankern ein paar Tage in der Cala Girgolu. Der Blick von dort auf den Tavolara ist erhebend. Und dieser Berg, der eine ganze vorgelagerte Insel ist, verändert sich über den Tag beständig. Aber immer zum Staunen und hingucken. Dort wohnt übrigens die Familie Bertoleoni, die direkten Nachfahren des Königs von Tavolara. Die Anekdote besagt, dass der König von Sardinien dort zu Besuch war, und als sich der damalige Herr Bertoleoni ebenfalls als König vorstellte, war der sardische Herrscher so amüsiert, dass er ihm die Insel, und somit ein Königreich schenkte. Diese Geschichte ist aber nur durch die Familie Bertoleoni dokumentiert und die Urkunde irgendwie verschütt gegangen…
Jetzt ist die eine Hälft der Insel ein Nato-Stützpunkt (ja die wissen wo es schön ist), und die andere Hälfte wird von den königlichen Nachfahren bewohnt, die dort ein Restaurant betreiben.
Was auch wirklich schön zu sehen ist, dass die ganze Küste hier von weitem fast unbebaut erscheint. Erst bei näherem Hinsehen wird offenbar, dass die Hügel von unzähligen Villen beherrscht werden, die sich aber brav unter Pinienhöhe, alle mit dem gleichen sardischen Steinmauern, an den Fels anschmiegen. Aber dennoch, für mich bleibt es irgendwie künstlich, zumal auch nur in der Saison dort Leben ist. Im Winter sind sogar die meisten Supermärkte geschlossen. Wir genießen den Blick auf den tollen Berg und erledigen so Dinge wie Wäsche waschen etc. Der Vorteil ist, dass keine Superyacht die etwas auf sich hält, in die Nähe von so einem wäschebehängten Gipsy-Boot kommt.
Da mal wieder Wind in rauen Mengen im Anmarsch ist sausen wir nach Olbia in die dortige Marina. Die Einfahrt nach Olbia ist spannend, ist doch die Betonnung (die Markierung innerhalb welcher mal fahren sollte) ziemlich eng. Zumindest wenn man bedenkt, dass die großen Fähren und Tanker aus dem Hafen da ebenfalls und im schlechtesten Fall gleichzeitig durchfahren. Wir haben aber Glück, und trotz permanenter sorgenvoller Blicke vor und zurück haben wir die halbstündige Einfahrt für uns alleine.
Die Marina di Olbia gibt nochmal alles was man sich so von der Costa Smeralda erwartet. Für Yachten über 30 Meter gibt es nicht nur generell überhaupt mal Platz, sondern ein viertel der Marina ist speziell dafür vorgesehen. Und der Service ist atemberaubend. Es gibt u.a. kostenlose Shuttle zum Flughafen, in die Stadt und – hier wird’s für uns spannend- zum Einkaufszentrum. Wir werden also – wieder mal – im schwarzen Bus, zum Einkaufen gefahren und wieder abgeholt. Absolut top und erspart uns viel Schlepperei. Mit fast 100 Euro die Nacht aber auch kein Schnäppchen. So bleiben wir nur eine Nacht und wettern den Wind ab. Im Kaktus ist übrigens ein blinder Passagier versteckt...
Unser nächstes Ziel ist die Cala di Volpe, beziehungsweise die Bucht direkt daneben.
Dieser Teil der Küste wird wirklich sehr stark besungen, ganz in der Nähe ist dann auch Porto Cervo. Wir sind allerdings enttäuscht. Der Anker fällt vor Porto Oro auf sechs Meter Tiefe- das Wasser ist aber nicht klar genug um ihn richtig zu sehen. Am Ende der Bucht ist eine Marina, und so werden wir bis 8 Uhr abends und morgens wieder ab 8 Uhr durch ankommenden Wellenschlag gut durchgeschüttelt, wenn wieder ein Boot in die Marina düst.
Die Maddalena-Inseln, die als nächstes auf unserer gen Norden Tour kommen, sparen wir uns für einen anderen Törn auf. Es gibt wieder Wind-Warnung und irgendwie kann uns auch keiner erklären wie das dort im Naturschutzgebiet so läuft. Die einen sagen, man darf Ankern, aber nicht über Nacht. Die anderen sagen, man darf gar nicht ankern, oder doch, sogar über Nacht. Und dann gibt es die, die sagen- darf man alles nicht, machen alle aber trotzdem. Das kann irgendwie nicht der Sinn des Naturschutzgebietes sein.
Letztlich aber auch egal- wir wollen eine Marina auf Grund der Windsituation. Und die Marinas in der Nähe sind definitiv nicht unsere Preisklasse. Also sehen wir uns Porto Palau, Maddalena und das Capo Testa im Vorbeifahren an. Letztlich auch sehr schön.
Und kommen mit der Isola Rossa wieder in ein Gebiet, in dem wir uns wohl fühlen. Eine Marina, wo Fischer es sich noch erlauben können ihr Boot dort zu haben, und auch Sarden vor Ort wohnen können. Ein schöner Sandstrand mit durchsichtigem Wasser, und eine schöne anständige Pizzeria. Genau das was wir mögen und suchen. Und Mitte Juni noch quasi leer. Für den Geldbeutel der Sarden würden wir ihnen natürlich mehr Touristen gerade wünschen. Nach dem Gewimmel an der Costa Smeralda genießen wir aber die Ruhe und Unaufgeregtheit dieses Ortes sehr. Und freuen uns an der Ahnung, dass der Rest der Nordküste Richtung Westen jetzt immer ruhiger und nochmal wunderschön wird.