Die Belohnung des müden Seglers – Sonnenaufgänge vom Feinsten.
Die Crew schaut noch etwas kariert, aber dennoch sind wir begeistert von dem Bild, das sich um uns herum zeigt.
Es geht von Alicante nach Cartagena, immerhin knappe 70 Meilen, es ist der 3. August 2021. Bei durchschnittlich 6 Knoten Fahrt ist das ein ordentlicher Tagesausflug. Also starten wir bereits im Dunkeln, um nicht schon wieder im Dunkeln anzukommen. Der Tag ist heiß, mit über 30 Grad und nahezu windfrei. Das war auch so angesagt. Aber längeres Warten in Alicante kam aus verschiedenen Gründen nicht in Frage, wobei der Preis von 100 Euro die Nacht deutlich eine Rolle spielte. Wir verstecken uns in sonnenabweisender Kleidung und nehmen immer wieder eine Dusche am Heck. Anhalten und Baden fällt mal wieder aus- wir fürchten, die Zeit nicht zu haben.
So tuckern wir die spanische Küste entlang. Ziemlich viel Beton ist zu sehen, die Küste ist doch an vielen Ecken mit formschönen Hotelbunkern eingedeckt. Haben wir an der Costa Smeralda auf Sardinien gelernt, dass man die Bauten vom Meer aus kaum sehen durfte, so scheint hier der Anspruch gegenteilig zu sein- auch aus 20 Meilen Entfernung kann man jede der 70er Jahre Bauten gut erkennen. Am stärksten zeigt sich das kurz vor den Felsen von Cartagena. Es sieht ein wenig aus wie Klein-Miami, eine lange Landzunge, die das Mar Menor einrahmt, wie einen See. Das Mar Menor war kurz später europaweit in der Presse, da Tonnen von Fischen dort erstickt sind, auf Grund der Menge an Dünger, die über die Landwirtschaft aus der Umgebung dort ankommt. Ich versuche mir vorzustellen, wie es hier eigentlich mal ausgesehen haben mag- die mächtigen Felsen, die bereits die Einfahrt nach Cartagena schützen, dann die flache Landzunge und das recht flache Gewässer, natürlich geschützt…Nun ja, anders jetzt...
Gegen halb fünf erreichen wir die langgezogene Einfahrt von Cartagena- rechts und links mächtige Felsformationen, die einerseits die Stadt schützen, manchmal aber auch zu unangenehmen Düseneffekten und somit einer Verstärkung der Winde führen.
Wir passieren eine Industriemarina, vor der die ganz großen Tanker auf die Löschung ihrer Ladung warten müssen und kommen gegen 5 im großen, geschützten Hafenbecken von Cartagena an. Es fällt schnell auf, dass die spanische Marine hier ordentlich vertreten ist, sogar ein U-Boot ist hier stationiert.
Natürlich, wie sollte es auch anders sein: Kaum sind wir im Hafenbecken, frischt der Wind auf. Den ganzen Tag haben wir geschwitzt und den Motorenlärm ertragen, zum Anlegen bekommen wir richtig schönen Seitenwind mit 30 Knoten.
Aber aller Widrigkeiten zum Trotz liegen wir um kurz vor sechs fest vertaut in der Marina.
Der Wind ist jetzt übrigens wieder weg.
Für Cartagena steht einiges an- nämlich das Boot endgültig für den Atlantik rüsten.
Aber nicht mehr an diesem Abend- wir ziehen in die Stadt. Freunde, die hier den Winter verbracht haben, empfehlen uns ein bestimmtes Tapas-Lokal mitten in der Stadt- da geht’s nach langer kalter Dusche erstmal hin. Danke an Michaela und Sven für den super Tipp. Wir laufen durch die Stadt und überlegen , was wir die nächsten Tage parallel zu den Vorbereitungen alles besichtigen wollen. Auf den ersten Blick eine spannende Mischung aus historisch Alt, witzig modern und einfach irgendwie zusammengedengelt... Die Uhrzeit muss gut gewählt sein, ab 11 Uhr bis 18 Uhr ist es zu heiß um in der Stadt rumzulaufen. Die Idee der Siesta muss hier nicht groß erklärt werden – es bleibt schlicht nicht viel Alternative für den europäischen Kreislauf.
An erster Stelle steht aber das Boot- wir wollen die BB erst fertig haben- dann kommt das Sightseeing dran. Wir gehen davon aus, ca. 2 Wochen hier zu sein- es läuft uns also nichts weg.
Hier kurz ein paar Eindrücke aus der sehr schönen Marina, inklusive schwimmender und sogar segelnder Hochhäuser....:
Am nächsten Tag gibt es einen professionellen Rigg-Check. Zwar kontrolliert Guido das Rigg (Mast, Baum und die Wanten- also alles was die Segel hält, und was den Mast an Ort und Stelle hält) auch regelmäßig, aber angesichts hoher Atlantikwellen und eventuell kurzfristig auftretender Squalls (meist viel Regen, und für kurze Zeit hohe Windgeschwindigkeiten), wollen wir noch einen zweiten Blick drauf haben. Der Check fällt zufriedenstellend aus. Zusätzlich bekommen wir noch seitliche Stoffbahnen, ich glaube das heißt Segelkleid. Ich nenne es Chaps. Die halten etwas Spritzwasser ab, und geben auch noch ein wenig Sicherheit oder helfen zumindest dem Sicherheitsgefühl. Und ich finde sie auch schick. Ist ja auch wichtig.
Die beiden Spi-Bäume werden installiert, so dass wir sie relativ einfach setzen können. Das ist mit vielen Leinen verbunden, und wir haben die Schwierigkeit, dass wir die Bäume zwischen zwei Wanten hochziehen müssen. Das macht es ungleich schwieriger, da beide gleichzeitig hoch müssen. Die beiden 5 Meter Alustangen werden in einer sogenannten Glocke vorne am Mast fixiert, und müssen dann auf ca. 1,20 hochgezogen und gleichzeitig im rechten Winkel, rechts und links vom Mast nach aussen geführt werden. Zwischen den Wanten durch. Da einer zieht, muss der andere an zwei Orten gleichzeitig sein. Spannend.
Und wir ziehen die zweite Genua auf, das Passatsegel. So können wir nach rechts und links das Segel ausbaumen, und perfekt mit Wind von hinten fahren. Das nennt sich Passatbesegelung. Auf der Strecke zwischen Kanaren und der Karibik darf man mit den Passatwinden rechnen, die dann, wie auch die Welle, von hinten kommen. Die beiden Bäume stützen die Segel rechts und links, damit die Segel im windgeschützten Wellental nicht einfallen.
Genau als wir beide Vorsegel angebracht, aber noch nicht eingerollt haben, kommt natürlich eine kleine Bö- die reicht aber fast, um mich über Bord zu werfen. Guido zieht das Segel von mir weg, und außer Geschreie und einem, blauen Fleck, als mich das Segel gegen die Reling drückt, ist nichts passiert. Wäre aber angesichts des Seitenstegs eher unangenehm geworden. Das Passatsegel fängt den Wind jedenfalls perfekt ein.
So, jetzt brauchen wir noch ein Wetterfenster nach Gibraltar, und sobald wir das haben wird proviantiert. Aber es geht dann ja auch darum, wann wir aus Gibraltar weiter Richtung Kanaren kommen. Das ist auch wichtig um zu wissen wieviel Zeit wir uns noch in Cartegena lassen können.
Wir beobachten seit vielen Wochen das Wetter auf dem Atlantik, und sind uns sehr unsicher, wann ein guter Zeitpunkt ist. Erst muss die Straße von Gibraltar geschafft werden, die meist befahrene See-Enge der Welt. Gut, hält man sich brav auf der Seite, und dann einmal Augen zu, oder viel mehr weit auf, und schnell queren. Aber es gilt auch die Strömung hier zu beachten- wir brauchen ein Zeitfenster, wo das Wasser aus dem Mittelmeer in den Atlantik strömt und uns mitschiebt. Umgekehrt würden wir uns bei der potentiellen Strömungsstärke kaum von der Stelle bewegen. Das lässt sich aber, wenn man erstmal weiß wie, recht einfach berechnen. Aber wir brauchen dann noch für eine Woche das richtige Wetter um zu den Kanaren zu gelangen. Immer, wenn wir das beobachtet haben war in diesem Sommer die Wetterlage nie lange genug stabil. Und nach unserer Erfahrung vor Alicante wollen wir definitiv vermeiden tagelang im Sturm zu fahren. Zusätzlich haben wir ab der Straße von Gibraltar keine Möglichkeit mehr „rechts ranzufahren“- einmal da draußen geht es nur noch Richtung Süden. Wir vereinbaren ein Telefonat mit Wetterexperten einer Kieler Firma, um festzulegen, wann wir aus Gibraltar starten können. Am 06.08. vormittags besprechen wir also telefonisch die Route und unsere Überlegungen dazu.
Nach dem Telefonat schauen wir uns erstmal nur ungläubig an- eigentlich müssen wir das erstmal verdauen. Dazu haben wir aber wirklich diesmal keine Zeit. Denn: Wir sollen übermorgen starten. Nicht erst nach Gibraltar, sondern direkt durch bis zu den Kanaren. Nochmal zwei Tage länger non-stop. Puh. Denn, so der Meterologe: Danach weiß ich nicht wann wieder ein so gutes Fenster kommt. Derzeit sehe er auf Wochen erstmal keine so gute Möglichkeit mehr wie eben jetzt. Wir schauen uns lange an, dann kommt Leben in uns -ok, dann los. Und wie so oft startet das große Abenteuer mit (!) einer Liste! Wir haben nur noch 1, 5 Tage, das will jetzt gut organisiert sein. Proviantieren, vorkochen, tanken inkl. Reservekanister, Check Sicherheitsequipment, etc.
Auf Los geht’s los, und wir sind beide Tage vollauf beschäftigt. Schon das Einkaufen gehen dauert ein paar Stunden wenn man ohne Auto unterwegs ist. Alles sicher und klapperfrei verstauen ist auf beschränktem Raum auch eine langwierige Kunst. Zu guter Letzt vorkochen und teils einfrieren. Den letzten Abend noch einmal über die Promenade schlendern - festen Boden unter den Füssen.
Am 08.08. heißt es um 6 Uhr morgens wieder mal: Leinen los, Kurs Kanaren.