Segeln wohin Wind und Welle einen tragen – hört sich super an.
Wenn man sich das aber etwas genauer anschaut stellt man schnell fest, dass das ein romantisches Bild ist – aber eben halt auch nur ein Bild.
Im Großen würde das ja zum Beispiel heißen, dass man wie wir in südlichen Sizilien, in Licata startet und je nach Wind in Griechenland, Tunesien, Malta oder -mit viel Glück- in Sardinien landet.
Und in den meisten Fällen will man ja irgendwo hin. Oft noch innerhalb einer bestimmten Zeit. Wir zumindest wollen die Ostküste Sardiniens entlang segeln. Dafür benötigen wir den Wind aus der richtigen Richtung – alles was nicht Nord- Nord-West oder Nord-Ost ist, ist super. Zudem hätten wir gerne den Wind nicht zu schwach (wir wollen ja nicht motoren), und aber auch nicht zu stark (keine Lust auf Sturm im unbekannten Gebiet). Ach ja und dann bräuchten wir so in ca. 6-8 Stunden Entfernung noch einen geschützten Ankerplatz, der nicht zu flach, nicht zu tief ist, bitte sandigen Untergrund, der uns durch einen Hügel aus der vorherrschenden Windrichtung schützt und der gegen einlaufenden Schwell geschlossen ist. Oder alternativ bei viel Wind eine Marina, die ausreichend geschützt ist und die nötige Tiefe für unser Boot hat.Als Segelboot geht es unter Wasser noch über 2 Meter weiter bei uns.
Da man sich die Bedingungen nicht wünschen kann, setzt das alles viel Planung vorraus, mit Hilfe von Wetterapps, Küstenhandbüchern und Kartenmaterial. Die richtige Planung entscheidet über gut schlafen oder besorgt wach bleiben, motoren oder segeln, bleiben oder aufbrechen.
Und so heisst es oft irgendwo warten, um den nächsten Streckenabschnitt gut meistern zu können. Auch mal einen Ort auslassen, weil der bei den Windbedingungen gerade nicht passend ist.
Dennoch müssen wir immer wieder umplanen, manchmal sehr spontan, und uns eine neue Lösung suchen, eine neue Bucht, eine Marina…
Das ist ein interessanter, lehrreicher und auch wirklich ganz neuer Grad an Fremdbestimmung. Durch das Wetter, unbestechlich, unverhandelbar, auch durch Charme nicht beizukommen. Und oft schlecht einschätzbar und wechselhaft in seinen Launen. Dabei ist wie oben beschrieben beim Segeln das Wetter essentiell. In einem Masse wie man es sonst nicht kennt. Zum Ankommen, für den Komfort, aber auch für die eigene Sicherheit und die des Bootes.
Das soll jetzt gar nicht so dramatisch klingen. Aber oft werden wir gefragt warum wir so lang an einem Ort waren, der doch gar nicht so viel zu bieten hat- aus touristischer Sicht. Oder warum wir nicht in der Soundso Bucht/Dorf etc waren. Eben genau darum – weil wir Starkwindphasen abwarten oder ein gutes Wetterfenster nutzen wollten.
Die Ostküste Sardiniens erweist sich hier auch im südlichen Teil als recht trickreich- zum einen gibt es wenig kleine Buchten – die meisten Küstenabschnitte sind recht gerade und lang. Also kein Schutz für uns zum offenen Meer. Und wir stellen fest, dass unsere Wettervorhersagen meist falsch liegen, teils nur in der Windstärke, oft auch Richtung.
Zudem widersprechen sich dann auch noch die einzelnen Wettermodelle (wir greifen z.B. auf bis zu 5 verschiedene zu) - sprich manchmal muss man sich dann einfach festlegen welchem Modell man glaubt. Am Ende sind das auch nur Berechnungen und Wahrscheinlichkeiten aus Großwetterlagen heraus, die nach vorne projiziert werden.
Als wir in Villasimius Richtung Arbatax starten, rechnen wir damit schön segeln zu können. Pustekuchen- glatt wie ein See liegt das Meer da, kein Lufthauch regt sich. Wir motoren die Küste entlang.
Der Vorteil dabei ist, dass wir ungeplant ankern können. Eigentlich dachten wir in die Marina von Arbatax einzulaufen, wegen der oben erwähnten offenen Küste. Bei den Wind- und Wellenverhältnissen aber ankern wir eine Bucht davor und geniessen es völlig alleine hier zu liegen. Nachdem Guido sich an die Arbeit macht die Positionslampen vorne zu reparieren, nehme ich mir das Heck der BB vor. Wir haben da ein paar unschöne Flecken vom Tanken- da ist letztes Jahr Diesel über das Heck gelaufen und wir haben den Fehler gemacht es erst antrocknen zu lassen, bevor wir es weggeputzt haben. Also muss die Politur ran, und da danach noch ein Rest in der Flasche ist, bekommt das ganze Heck ein bisschen liebevolle Zuwendung. Derweil hängt Guido in deutlich unbequemer Haltung im Ankerkasten um die Kabel der Lampen zu erneuern. Und nicht nur die – hier zeigt sich was Meerwasser so kann – und zwar innerhalb von nicht mal 10 Monaten…Und nachdem wir in einem Youtube-Video eines österreichischen Segelpaars gesehen haben, was Kriechstrom durch Undichtigkeiten so anstellen kann auf einem Boot, isoliere ich lieber nochmal die Leitungen in unseren Geräteträger neu ab.
Als wir unseren Weg die Küste entlang fortsetzen, kehrt sich das Wetterthema um – vorausgesagt ist leichter Wind „achterlich“, also von hinten, mit maximal 10 Knoten Wind. Wir denken darüber nach, wann wir den Gennaker mit dem Bären setzen können- unser Leichtwindsegel für solche Fälle. Wir bekommen aber etwas völlig anderes – über 30 Knoten von schräg vorne, mit einer ordentlichen Welle, die genau auf die Küste zu walzt. Die Gischt spritzt ein paar Mal bis ins Cockpit…
Damit ist für uns das Thema Ankern Essig, und unsere Planung dahin. Wir beschließen die Marina von La Caletta anzusteuern – die nächste Marina auf unserem Weg, die genug Tiefe hat für uns. Also statt einem beschaulichen Halbtagestörn entgegenzusehen geben wir Gas, und kommen nach ungefähr 20 Meilen mehr als gedacht, abends in La Caletta an. Nach dem Anlegen ist es natürlich erst mal windstill...
Da zwei Tage mit Winden über 40 Knoten vor uns liegen bleiben wir gleich noch ein paar Tage dort. Der Ort an sich ist nicht wirklich sehr spannend, und noch im Vorsaison-Halbschlaf. Wir igeln uns also ein und ruhen uns einfach ein wenig aus. Wir haben es sehr gemütlich. Immerhin haben wir damit die untere Hälfte der Ostküste, und somit den für uns etwas schwierigen Teil schon hinter uns – im Sauseschritt.
Sobald das Wetter es zulässt, geht es Richtung Costa Smeralda- nicht nur bekannt als die Welt der Reichen und Schönen – sondern auch mit vielen Buchten gesegnet, die uns hoffentlich guten Schutz zum Ankern bieten werden. Und der Name der Costa Smeralda kommt vom smaragdfarbenen Wasser in den Buchten- da sind die Erwartungen entsprechend hoch!