So langsam sind wir im Nordwesten Sardiniens angekommen. Zwischen der Costa Paradiso und dem Golfo di Asinara liegt Isola Rossa, benannt nach der kleinen vorgelagerten Insel und den rosafarbenen Granitfelsen. Die dortige Marina ist für zwei Tage unser Ort der Wahl.
Ende Juni sind wir hier noch fast alleine, und genießen das beschauliche Fischerdorf. Auch wenn die Haupteinkommensquelle mittlerweile eher der Tourismus sein dürfte, so gibt es doch noch einige auch kleinere Fischerboote, die rege im Einsatz sind. Entsprechend schüttelt es uns immer wieder durch, gerne frühmorgens, wenn der Schwell der vorbeifahrenden Boote uns trifft.
Der Versuch an der Isola Rossa zu schnorcheln scheitert recht kläglich an der Welle, die außerhalb der Marina herrscht. Hier merkt man direkt wieviel die Kaimauer abhält. Also doch an den Strand. Der Strand von Isola Rossa ist zwar nicht sehr groß, aber wenig frequentiert und bietet feinen Sand und kristallklares Wasser.
Next Stop: Asinara
Die Asinara Insel ist ein im Nordwesten vorgelagerter Nationalpark, mit ca. 110 km Küstenlinie. Funfact: Die Volkszählung 2018 ergab laut Wikipedia 2 männliche Bewohner.
Früher waren es ein paar mehr- die Insel wurde bis 1999 fast 100 Jahre lang als Gefängnisinsel genutzt, von italienischen Kriegsgefangenen bis zuletzt wohl verurteilten Mafiamitgliedern. Die alten Gefängnisanlagen kann man vor allem in der Cala Reale noch ansehen.
Ansonsten findet man auf Asinara Esel. Viele Esel, und vor allem auch weiße Esel. Das Wahrzeichen der Insel. Es handelt sich wohl um eine seltene Mutation (kein Albinismus, wie ich gelernt habe, sondern leuzistisch), die zu diesen weißen Eseln führt. Ehrlich gesagt finde ich die grauen Esel hübscher – aber über Geschmack kann man ja bekanntlich nicht streiten. Seit 1997 Nationalpark, darf man nur ganz ausgewählte Teile der Insel betreten, und Boote sind nur in 3 Buchten überhaupt erlaubt. Ankern ist generell verboten, es gibt Bojen zum Festmachen. Zudem sind auch Ausflüge mit dem Beiboot untersagt. Man darf generell nur die Bojen ansteuern und von dort auf direktem Wege den Nationalpark wieder verlassen. Klingt alles etwas kompliziert- aber es lohnt sich. Man sieht wie sich die Natur entwickelt, wenn sie halbwegs ungestört sein kann. Es ist unfassbar schön hier.
Das Wasser ist so klar, dass wir die Boje und die Kette darunter bis zum Boden auf 7 Meter Tiefe glasklar sehen können. Die Blue Baloo sieht ihren eigenen Schatten auf dem Boden und ich kann sogar meinen winkenden Arm sehen. Solche Bilder kenne ich sonst von Seglern auf den Bahamas. Wir schnorcheln durch die Bucht und es ist faszinierend wie viele Fische hier unterwegs sind, und neugierig auch recht nah kommen. Als wir vom Boot ein paar Brotkrumen ins Wasser werfen gibt es fast ein Gemetzel unter den Fischen.
An Land sehen wir uns um, begegnen vielen der besagten Esel und sehen die alten Anlagen. Einmal täglich kommt eine Fähre an, die Ausflügler von Porto Torres bringt und abends wieder abholt. Man kann dann entweder zu Fuß auf den festgelegten Wegen, mit einem Fahrrad, oder wenn man Glück hat mit einem Elektroauto die Insel erkunden. Wir haben keins- selbst jetzt vor Saisonstart muss man die Elektroautos 4-5 Tage im Voraus reservieren. Das liegt auch daran, dass es nur drei gibt, und eins kaputt ist…Allerdings finden wir die Preise auch ganz schön erwachsen- 90 Euro für einen Tag. Ich hoffe einfach, dass da auch ein guter Teil Unterstützung für den Nationalpark dabei ist. Aber wir bekommen ja eh keins. Fürs Fahrrad fahren ist es einfach zu heiss, also laufen wir zu Fuß die Bucht ab, und schauen uns das Ganze dann wieder vom Schiff aus an. Es ist eine wunderbare Ruhe hier- keine Motoren, keine Beiboote, keine Jetskis, keine Autos. Um halb sechs holt die Fähre die Ausflügler wieder ab, dann kehrt totale Stille ein. Bis auf- ja genau- die Esel. Immer wieder hört man ihre Schreie. Das klingt teils aufgeregt, erbost, zornig, oder manchmal auch nach höchster Not. Und passiert zu jeder Tages und Nachtzeit. Internet sei Dank weiß ich jetzt- Stuten rufen so ihre Fohlen, und Hengste kommunizieren mit rossigen Stuten.
Apropos Ruhe und Internet – Netz haben wir dort so gut wie gar keins- mein Videocall mit Freundinnen funktioniert leider nicht wirklich und friert immer wieder ein. Davon abgesehen ist es aber eigentlich recht schön nicht online zu sein.
Wir verbringen den Hauptteil der Zeit in der Cala Reale im Urlaubsmodus- baden, schnorcheln, sonnenbaden, lesen, essen, schlafen. Herrlich.
Aber dann klopft doch das schlechte Gewissen an: Wir haben seit einiger Zeit einen dicken weißen Ordner an Bord herumliegen- das gesammelte Wissen, aber auch die Anforderungen die an alle Teilnehmer der ARC- Atlantic Rally for Cruisers gestellt werden. Wie bei anderen Rallys auch starten mehrere Schiffe gleichzeitig von Las Palmas, Gran Canaria (in unserem Fall ca 100, die wie wir mit der ARC+ von Las Palmas über die Kap Verden nach Grenada wollen), werden über die Fahrtzeit getrackt, und es werden am Ende Sieger gekürt. Die Teilnahme an der ARC bedeutet für uns erhöhte Sicherheit bei unserer ersten Atlantiküberquerung Anfang November, das Siegertreppchen ist eher nicht unser Thema. Und im Rahmen der ARC gibt es für die teilnehmenden Boote und die Crew Anforderungen die zu erfüllen sind- sei es Sicherheitsausstattung, Sicherheitschecks, absolvierte Schulungen, Anmeldungen etc.
Schulungen, z.B. zu medizinischer Versorgung, Erster Hilfe an Bord, Feuer, Wasser etc haben wir natürlich längst hinter uns. Dennoch ist der Ordner ziemlich dick und irgendwann müssen wir mal anfangen uns da durchzuarbeiten. Vor allem falls wir doch noch etwas an Ausstattung brauchen. Es ist nämlich gar nicht so einfach Dinge zu bestellen, wenn man ständig unterwegs ist, und auch nicht genau weiß wann man wo ankommt, bzw wieder abfährt.
Erste Aufgabe aus dem Ordner: Sicherheitsausstattung prüfen, auf Vollständigkeit und Funktion. Also heraus mit Schwimmwesten, Rettungsbojen, Sicherheitsleitern, Rettungssegel, Seeanker, Epirb etc. Da muss zum Beispiel auch überall der Name unseres Bootes drauf. Jedes Feature zu erklären würde den Rahmen hier sprengen- es sei so viel gesagt: Wir haben alles was auf der Liste steht und noch viel mehr.
Interessant ist vielleicht noch die Rettungsweste, mit zugehöriger Sicherheitsleine zum Festhaken am Boot. Die Weste löst automatisch aus, sobald man im Wasser ist. Das geht über eine kleine Tablette, die den Auslösemechanismus blockiert. Dringt Wasser ein löst sich die Tablette auf, und die Gaspatrone bläst die Weste auf. Die Weste hat einen hohen Kragen und dreht einen immer auf den Rücken- somit ohnmachtssicher. Zusätzlich haben wir ein Licht eingebaut, dadurch leuchtet die Weste im Dunkeln. Außerdem eine sogenannte Sprayhood: Man kann ein Plastikschild über die Weste ziehen, so dass man zwar atmen kann, aber kein Wasser ans Gesicht kommt. Gerade bei Wellen wichtig. Und wichtigstes Feature: Unsere persönlichen MOB Melder (ManOverBoard), die ebenfalls in der Weste verbaut sind. Das sind Sendegeräte, die bei Aktivierung eine Alarmmeldung abgeben verbunden mit einer Positionsmeldung. Diese Meldung wird auf allen Schiffen im Umkreis angezeigt, und auch optisch und akustisch bei uns an Bord. Das ist natürlich eine extrem vereinfachte Erklärung. Zusammengefasst kann man sagen- bei uns fällt niemand von Bord, und wenn dann niemals unbemerkt.
Als nach drei Tagen der Wind auffrischt bringt er leider auch ein ganz unerwünschtes Geschenk mit- die Wellen tragen eine ganze Menge Quallen in die Bucht. Faszinierend anzusehen, verderben sie einem aber doch das Badevergnügen. Wache halten von Deck aus während der andere schwimmt funktioniert auch nicht, weil die perfiden Wabbeldinger unterm Boot durchtauchen und plötzlich an der Badeleiter hochkommen. Letztes Jahr in Licata hat mich eine schmerzhaft am Bein erwischt – seitdem mache ich erst recht einen großen Bogen um diese Tierchen, bzw. bleibe auch mal dem Wasser fern.
Somit für uns das Zeichen zum Aufbruch – wir setzen die Segel Richtung Castelsardo, ein mittelalterliches Städtchen 23 Meilen weiter östlich, das mit einer Marina aufwartet, und vor allem mit einer Werft. Denn das Unterwasserschiff der Blue Baloo braucht nach einem Jahr im Wasser doch etwas professionelle Zuwendung.