Den Winter über haben wir bei entsprechenden Nachfragen immer vermieden ein Datum zu nennen, wann es wieder losgeht. Wer wäre auch im Januar in der Lage gewesen zu sagen wann man guten Gewissens ins Ausland kommt, geschweige denn mit 2 Impfungen intus. Deshalb haben wir nicht lange im Voraus geplant, sondern erst als sich die Lage besser einschätzen ließ.
Letztlich ist es dann aber am 08.05 soweit. Wir sitzen im Flieger, haben uns – nochmal – von Verwandten und Freunden verabschiedet, virtuell oder real, wieder ohne Abschiedsparty.
Aber damit hatte jetzt auch wirklich niemand gerechnet.
Der Flug ist wieder mal interessant – der ältere Herr vor mir hat auch nach einem Jahr Pandemie noch nicht verinnerlicht, dass die Maske nicht unterm Kinn zu tragen ist, sondern wir alle nur seine Augen sehen wollen. Der tiefe gutturale Husten macht es da auch nicht besser. Ich bin trotz Impfung mal wieder froh über meine eng sitzende FFP-3 Maske.
Auch die Durchsage, vor Landung doch bitte sitzen zu bleiben bis die Reihen einzeln dann zum Aussteigen aufgerufen werden…. Ihr wisst glaube ich was jetzt kommt. Wie ein Mann steht der ganze Flieger auf, holt hektisch das Gepäck aus dem „Overhead compartment“ und steht dann 10 Minuten lang Nase an Hinterkopf im Gang…
Aber auch das bringen wir hinter uns, Roberto erwartet uns am Ausgang und fährt uns zuverlässig und plaudernd von Palermo die 3 Stunden nach Licata in die Marina. Es ist eine wunderschöne Landschaft durch die wir fahren - und um diese Jahreszeit so grün dass man sich in der Schweiz wähnen könnte.
Schon auf dem Weg zum Boot begegnen uns die ersten der Licata- Teilzeitbewohner und wir brauchen eine ganze Weile um bei der Blue Baloo anzukommen. Aber es ist einfach total schön wie herzlich wir von allen begrüßt werden. Nur der Gurt meiner Tasche wird irgendwann doch recht schwer.
Und dann liegt sie da, die Blue Baloo, unser zuhause. Abgesehen von viel braunem Sahara-Sand, den die Winterstürme mitgebracht haben, sieht sie aus wie aus dem Ei gepellt. Grosse Freude, großes Hallo- also von unserer Seite. Elegante Zurückhaltung bei der BB…;-) Und auch im Inneren ist alles so wie wir es verlassen haben. Ich hatte etwas Bedenken und Sorge, ob nicht doch Feuchtigkeit sich breit gemacht hätte über den Winter- bei den meisten Booten ein Thema. Aber es ist alles in Ordnung, kein bisschen „Gemüffel“. Dank an die Familie Schöchl für eine gut durchlüftete und durchdachte Konstruktion.
Und ab dann heisst es – Schiff putzen, einräumen, proviantieren, Servicearbeiten- und startklar machen. Denn wir wollen raus, aufs offene Wasser. Insgesamt dauert es dann aber doch fast zwei Wochen bis wir wirklich starten. Zum einen gab es ein paar Dinge am Boot zu tun, zum anderen waren wir auch schnell wieder Teil der Gemeinschaft in Licata und wollten Zeit mit den Menschen dort verbringen, die es im Sommer in alle Winde zerstreuen würde. Die haben sich zum Beispiel die Zeit mit Limoncello brauen vertrieben- und der muss ja dann in Respekt der Leistung auch in Ruhe verprobt werden.
Schiffsarbeiten
Neben Putzen ware es viel Wartungsarbeit - Kleinigkeiten wie Reissverschlüsse und Lukendichtungen mit Silikonspray einsprühen, oder den Mückenschutz am Niedergang (Eingang ins Schiff hinein) fertig nähen, aber auch kompletter Motorservice mit Ölwechsel etc. Und wir haben wieder den netten Taucher gebeten, das Unterwasscehrschiff (endlich mal ein selbsterklärender nautischer Befgriff) abzuschrubben, damit wir nicht die halbe Flora und Fauna von Licata mit uns rumfahren. Anschaulich konnte man das sehen an unserem Kugelfender, der ungefähr das Doppelte auf die Waage brachte wie vor dem Winter (bei Menschen ja ähnlich, riecht aber besser).
Aber wie meist am Schiff- man sieht direkt ein Resultat der schweisstreibenden Arbeit, und so strahlt uns nach ein paar Tagen die BB wieder wie gewohnt an.
Neben allen Arbeiten haben wir natürlich auch ein wenig Licata genossen ...
Ach und beinahe den Friseur vergessen – Alfonso, der Friseur ohne Haare. Wir hatten einen Termin für Mittwoch, waren Mittwoch da – nur Alfonso nicht. Tja, dann gibt’s wohl auch keinen Schnitt. Es wird munter gewaschen, geföhnt und gelacht mit den 5 Mädels im Salon- aber schneiden, das darf hier nur der Chef. Also - neuer Termin für den nächsten Tag. Und diesmal klappt es auch – gewaschen wird von den Mädels, geschnitten vom Meister, geföhnt von den Mädels und letztes Finish wieder – vom Chef. Und das für 42 Euro – für uns beide zusammen wohlgemerkt. Wir sind zufrieden- die Matte ist ab, und darf jetzt wieder einige Monate vor sich hinsprießen – mit ständig Wind und Salzwasser braucht man über spleenige Frisuren sowieso nicht mal im Ansatz – Achtung Wortwitz- nachdenken.
Und natürlich haben wir die Kühlschränke wieder gut gefüllt, Lebensmittel vakuumiert und eingefroren, Gewürze getrocknet, und die Früchte vom Markt genossen. Und etwas Neues kennengelernt- Nespole. Die haben wir geschenkt bekommen, zusammen mit einigen Kräutern. Eine orange leckere Frucht, sieht etwas wie eine Aprikose aus, hat grosse Kerne, und hält sich nur sehr sehr kurz- deswegen auch kein Exportschlager obwohl ganz lecker.
Und am Ende mussten wir als Segler auch auf den richtigen Wind warten – die vorherrschende Windrichtung an Siziliens Südküste ist aus West/Nordwest. Also genau da wo wir hinsegeln wollten. Und das bedeutet dann im Seglerjargon „gegenan“, gegen Wind und Welle. Das macht überhaupt gar keinen Spass.
Am 21.05. heißt es dann endlich zum ersten Mal in 2021: Leinen los. Der Wind ist leider einfach gar nicht vorhanden, was alle romantischen Träume der ersten Ausfahrt vertreibt. Wir motoren nach Sciacca.
Dennoch sind wir sehr glücklich.
Wieder auf dem Boot, auf dem Wasser, unterwegs nach Westen.