2020 – was soll ich nur mit Dir machen…
Das Jahr auf das wir Jahre gewartet haben, der Start unserer großen Reise, mit dem Ziel, mit unserem Boot die Welt zu umrunden…
Die ersten 5 Monate waren wir noch zuhause, in den letzten Vorbereitungen für unseren Start, gleichzeitig ab März bereits im Corona-Modus, arbeitstechnisch noch voll eingespannt, aber größtenteils im Home Office.
Hier konnten auch wir feststellen, dass mal ein Tag Home Office, freiwillig gewählt, durchaus großartig ist- man ist viel produktiver, weil ungestörter, nebenher läuft auch noch die Waschmaschine und der Arbeitsweg ist auch gespart. Meist wählt man dann auch Tage, die eher konzeptionell, und zum „in Ruhe denken“ sind, mit wenig Meetings.
Mit Corona bleibt davon nicht viel übrig. Die Meetings sind direkt aneinandergesetzt. Da ja die Wegezeiten wegfallen schaltet man sich „einfach“ von einer Konferenz in die Nächste. Die fehlende Nähe wird durch noch mehr Meetings ersetzt. Und wenn man dann abends mal anfängt Mails zu beantworten, den Tag zu ordnen, und die Meetings nachzubereiten - da fällt dann auf, dass man die Waschmaschine nicht angemacht hat, das Mittagessen mal wieder ausgefallen ist. Einkaufen war auch keiner, Sport und Bewegung sind völlig ausgefallen- maximale Entfernung Bad zu Schreibtisch. Nach 2 Wochen auf einem schicken „Normalstuhl“, mit Laptop und ohne Monitor versteht man plötzlich, warum es ergonomische Bürostühle gibt.
Parallel klingelt ständig der Paketbote, um die restlichen online bestellten, Ausrüstungsgegenstände abzuliefern. Was bei einigen Dingen zeitlich recht eng wurde, denn wir hatten in unserer Planung nicht daran gedacht, dass plötzlich das Online-aufkommen verzigfacht und somit teils die Lieferzeiten ebenfalls unkalkulierbar und deutlich verlängert wurden.
Dennoch ist es irgendwann Ende Mai, und wir starten – in unser bisher größtes Abenteuer.
Liebe Freunde bringen uns nach Italien und ein paar Tage später verlassen wir San Giorgio di Nogaro. Wo wir waren, was wir gemacht haben, wie es uns erging- das kann wer möchte in den einzelnen Blogeinträgen nachlesen. Doch Corona bleibt an unserer Seite. Gott sei Dank haben wir das Glück, bisher keine persönliche Bekanntschaft gemacht zu haben. Trotzdem beeinflusst es uns und unsere Reise nachhaltig. Grundsätzlich ist es auf einem Schiff relativ gut möglich der ganzen Thematik aus dem Weg zu gehen – bis aufs Einkaufen ist der Abstand zu anderen Menschen und sogar Dingen meist nicht unter 30-40 Meter. Im Sommer kann man, wenn man doch in ein Restaurant gehen möchte, draußen sitzen. Und das haben wir aber auch nur getan, wenn uns der Abstand der Tische zueinander gefallen hat.
Großartige Momente und Erinnerungen definieren diesen Sommer:
Soweit so gut, solange man sich in einem Land, bzw. einer Region aufhält. Denn: Das Land innerhalb der EU, ja sogar die Region eines Landes zu wechseln will plötzlich gut überlegt und geplant sein – Wie sind die Zahlen? Wie hoch ist unser Vertrauen in das dortige Gesundheitssystem für den Fall der Fälle? Im Notfall- wie schnell kämen wir nach Hause? Oder wäre das gar nicht möglich? Wie gehen die Menschen dort damit um, werden die Regeln eingehalten? Kommen wir überhaupt hinein, sind die Grenzen offen? Muss man sich vorher anmelden? Online, per App, per Fax...? Benötigen wir einen Test? Woher bekommen wir hier überhaupt einen Test, und ist der noch gültig nach 2 Tagen Überfahrt? Müssen wir in Quarantäne und wo muss man das überhaupt melden?
Man sieht, die Fragen, die man sich „zuhause“ schon stellt, werden unterwegs noch komplexer, hübsch garniert noch mit der sprachlichen Barriere.
So sind wir sehr abrupt aus Mallorca nach Sardinien „geflohen“, da Italien die Balearen auf die „rote Liste“ gesetzt hatte. Genauso sind wir dann recht schnell von Sardinien nach Sizilien aufgebrochen, da die Regionen nach der Saison die inneritalienischen Grenzen dicht machten. Und der krönende Schluss war die Abreise aus Sizilien nach Deutschland, mit einem Vorlauf von 10 Stunden, um vor dem Lockdown Italien verlassen zu können.
So das Bild im organisierten Europa - wir wissen nicht, wie das in anderen Ländern auf unserer weiteren Route gehandhabt wird.
Und so fällt im August die Entscheidung 2020 im Mittelmeer zu bleiben.
Was sich so locker flockig anhört, ist für uns eine große Entscheidung mit sehr großen Folgen.
Eigentlich hätten wir im November den Atlantik überquert.
Zuerst einmal heißt das, der jahrelang vorbereitete Plan einer Weltumsegelung – passé.
Denn das schaffen wir zeitlich nicht mehr.
Das muss man erstmal verdauen.
Das haben wir denke ich ganz gut geschafft. Vor allem muss man sich in diesem Jahr ja immer vor Augen halten was in der Welt gerade so passiert. Da sind wir am Ende dankbar, dass unsere Reise bis jetzt überhaupt so möglich ist. Und das sind wir wirklich. Aber es sei uns gegönnt dass wir dahin einen kleinen gedanklichen Weg hatten. Den wir aber gut gemeinsam beschritten haben. Wer hierzu nochmal nachlesen möchte – im Blog unter „Die Entscheidung“.
Ganz wunderbar war, dass wir durch unser „Umdrehen“ richtig Zeit für Sardinien hatten, und die Westküste, startend in Bosa, bis Portoscuso, dann die Südküste bis Villasimius, gemütlich und intensiv erkunden konnten. In Portoscuso haben wir ja tatsächlich ein wenig unser Herz verloren und mussten uns zwingen auch irgendwann wieder aufzubrechen. Die ägadischen Inseln gehören da auch zu den großartigen Geschenken unserer Entscheidung - diese hätten wir sonst nicht erleben können. Aber vor allem zähle ich da die Menschen der Community in Licata dazu – auch wenn unsere Zeit in 2020 dort viel kürzer war als geplant. Wer im Mittelmeer bleibt braucht einen Platz zum Überwintern- das wurde für uns aus vielen Gründen Licata auf Sizilien. Wir haben tolle Menschen, Persönlichkeiten, mit interessanten Lebensgeschichten und Plänen kennen gelernt, die wir sehr ungern verlassen haben. Danke an Michaela und Sven, Gabi und Georg und Tony, für die tolle Aufnahme, und dass ihr ein Auge auf die BB habt!
Und so bin ich gedanklich im Oktober angekommen, fast schon ist es November. Wir waren aus privaten Gründen Anfang Oktober in Deutschland und haben ein Auto mitgebracht – für Ausflüge auf der Insel. Das Schiff ist für den Winter vorbereitet, der Propeller ist im schwarzen Anti-Bewuchssack verstaut, der Motor ist gespült, der Wassermacher konserviert.
Nur die beiden Bewohner wollen sich nicht so recht einwintern lassen.
Die Temperaturen sinken kontinuierlich, und es wird bereits ab 18 Uhr dunkel. Tagsüber in der Sonne liegt man noch bei 17 Grad am Strand, zumindest so lange es nicht zu windig ist. Abends allerdings werden die Temperaturen dann bald einstellig. Hinzu kommt, dass die Lokale ab 18 Uhr geschlossen sind. Das alles führt dazu, dass man ab 18 Uhr im Boot drinnen sitzt. Die Standheizung ist immer so lange an, bis es warm ist und die Luft zu trocken wird. Dann dreht man sie aus, bis es kalt wird. Kochen abends ist auch eher ungünstig, denn beim Nudeln kochen beschlagen alle Fenster. Feuchtigkeit ist sonst kein Thema bei uns an Bord, und wir wollen es auch keines werden lassen. Wir wechseln auf mittags kochen, abends Brotzeit. Die anderen Marinabewohner trifft man leider eher nur im Vorbeigehen auf einen kurzen Plausch- die meisten Veranstaltungen sind abgesagt, und im Schiff ist es uns dann doch zu eng mit Mehreren – vor allem in Bezug auf das Thema Corona gesehen. Das hatten wir uns anders vorgestellt - in dieser schönen Marina, mit all diesen netten Menschen und dem Örtchen Licata. Wir stellen also fest – wir sind keine Wintersegler! Nicht mal am südlichsten Punkt der EU. Da gibt es Leute, die sogar noch nördlicher im Winter unter Segeln unterwegs sind…ganz klar – nix für uns. Wieder was gelernt. Über uns und im weitesten Sinne übers Segeln, bzw. Leben an Bord.
Wenn man sich nun also vorstellt, dass wir nicht wirklich angetan waren vom Leben an Bord im November, dann kann man sich vielleicht vorstellen, was die Meldung des bevorstehenden härteren Lockdowns für Italien bei uns bewirkt hat. Wir saßen mit einem befreundeten Seglerpaar nachmittags draußen in einem Restaurant, als wir die Meldung über die kommende neue Verordnung hörten. Italiens Regionen wurden je nach Inzidenz Farben gegeben, die über die Freiheitsgrade bestimmten.
Kalabrien sollte einen Tag später rot werden- das bedeutete, kein Verlassen der Stadt, der Region, alle Restaurants komplett zu und noch ein paar Dinge mehr. Wir hatten ja das Auto vor Ort, und somit mussten wir auf dem Weg nach Hause durch Kalabrien durch. Fährt die Fähre über die Straße von Messina dann noch? Ob man als Fremder durch Kalabrien durchreisen darf? Wahrscheinlich schon, genau konnte es uns aber keiner sagen.
Und ob die örtliche Polizei das anders sieht war auch nicht sicher. Somit war uns ggfs der Weg nach Hause wenn nicht abgeschnitten, so doch sehr erschwert.
Zudem war für Sizilien noch in Diskussion ob gelb oder rot. Rot würde dann vor Ort heißen, dass die Stadt nicht mehr verlassen werden darf. Somit war auch unsere Idee, den Winter über Sizilien zu erkunden, ins Wasser gefallen. Die Vorstellung noch ca. 4 Monate auf dem Boot in der Marina zu sein, ohne die Möglichkeit auch nur den Ort zu verlassen, fanden wir zusätzlich zu den oben genannten Themen nicht sehr verlockend. Der Entschluss war entsprechend schnell gefällt – wir hauen ab. Am nächsten Tag mittags saßen wir im Auto – Schiff aufgeräumt, Kleidung einvakuumiert, Polster aufgestellt, Wassertanks geleert, und los gings. Über 2000 Kilometer lagen vor uns.
Nach 250 Kilometern auf der Insel gehts über die Strasse von Messina-diesmal allerdings mit etwas mehr Verdrängung.
Zwischenstopp auf Fast halber Strecke
Trotz aller Sperrungen haben wir auf Höhe Neapel eine tolle Unterkunft gefunden – Achtung von Herzen kommende unentgeltliche Werbung- der Agriturismo „I Cacciagalli“ in Teano ist ein Traum. Die Zimmer sind einfach wunderschön, jedes anders und liebevoll eingerichtet. Das ganze Anwesen ist ein Schmuckstück. Umgeben von den eigenen Weinbergen und Nussbäumen. Das Essen war ebenso ein Gedicht, und die beiden Besitzer Diana und Floretano sind tolle aufmerksame Gastgeber. Und wir waren die einzigen Gäste. Natürlich haben wir etwas von dem guten Wein und den unglaublich leckeren Nüssen mitgenommen.
Wir haben es gut heim geschafft, und uns dann brav in Quarantäne begeben, als Reiserückkehrer. Aber es ist eine unfassbar lange Autofahrt gewesen. Man stelle sich vor, man kommt an Rom vorbei, und das ist die Hälfte der Strecke….
Seit Anfang November sind wir also in Deutschland, genießen die Zentralheizung und kümmern uns um Dinge für die man sonst zuhause nie Zeit hat. Ohne Corona wäre das natürlich alles viel toller – zuhause sein mit richtig Zeit in der staaden Zeit, mit Glühwein an den Christkindlmärkten, Freunde treffen, tolle Essen zubereiten und viele Leute einladen, Weihnachten ungeplant zuhause und mit der Familie feiern, unter der Woche Skifahren wenn die Pisten leer sind, Wanderungen auf die bayerischen Berge, mit Kaiserschmarrn auf der Hüttn – ahhhhhhh- jetzt stelle man sich das Zonk-Geräusch vor (also die vor 1990 geborenen zumindest) – alles ganz anders dieses Jahr. Aber die Rechnung ist ja auch gänzlich falsch- ohne Corona wären wir gar nicht hier, sondern in der Karibik. Das macht es jetzt gerade nicht besser…irgendwie…
Aber wir machen das Beste draus, und wir haben in der Tat eigentlich eine gute Zeit. Wir gehen viel spazieren (vor der Haustür), machen Sport, genießen unser Zuhause, und gehen kleinere Projekte an, die wir jetzt zeitlich vorziehen können. Langweilig ist uns bis jetzt noch nicht.
Wenn ich jetzt 2020 eine Note geben sollte, so kann man vorab sagen: Wir hatten einen unglaublich phantastischen Sommer, den ich nicht missen möchte. Ich denke das können nicht allzu viele Menschen dieses Jahr sagen. Und wir sind gesund – auch das ein Novum aus 2020, das man sich dies plötzlich sehr sehr bewusst macht.
Insgesamt kippt die Waage für dieses Jahr allerdings klar ins Negative auch für uns – das hat aber mit Ereignissen zu tun, die nicht mit dem Boot oder der Reise in Verbindung stehen und somit nicht hierher gehören. Also, 2020, setzen, 6.
Wann wir wieder starten? Feste Planungen, haben wir gelernt, sind momentan nicht allzu sinnvoll. Aber wir wollen, im Frühjahr wieder auf die Blue Baloo, dort ein paar Arbeiten am Boot in Licata umsetzen, und sobald das Wetter mitspielt geht es dann wieder raus aufs Meer. Ziel ist es durchs Mittelmeer bis Gran Canaria zu touren, um im November über die Kap Verden den Atlantik zu überqueren. Fingers crossed ;-)