Aus Sardinien kommend steuern wir die ägadischen Inseln an. Diese liegen westlich vor Sizilien, zwischen Trapani und Marsala. Ich musste zweimal nachsehen wie man die jetzt schreibt- nicht die äolischen, oder auch liparischen Inseln, da waren wir ja schon im Juli, sondern die ägadischen, oder auch „isole egadi“. Mir war bis jetzt nicht bewusst, dass es doch eine ganze Reihe an Kleinstinselgruppen rund um Italien gibt. Aber diese Reise schult offensichtlich auch meine geographischen Kenntnisse
Es sind insgesamt 3 Inseln, Marettimo, Favagnana und Levanzo, alle drei Naturschutzgebiet. Wir entscheiden uns für Letztere, welche auch die größte der Drei ist. Favagnana hat eine ganz witzige Form, die Insel ist bis auf einen großen Berg in der Mitte komplett flach.
Im Süden, am Punta Sottile, direkt unterhalb dieses Bergs, der aussieht als hätte man ihn im Grand Canyon geklaut, finden wir eine einsame Boje. Die Feriensaison ist vorbei und so bleiben wir nachts völlig alleine. Tagsüber kommen ein paar Ausflügler, aber auch das doch sehr reduziert. Die Bucht ist ein Traum. Und das obwohl es kein Sandboden ist in diesem Fall.
Im Mittelmeer schnorcheln ist ja oft eher fad und recht farblos. Hier hatten wir schon auf den – Achtung – äolischen Inseln schöne Erfahrungen gemacht. Aber Favagnga ist noch mal eine andere Hausnummer. So viele Fische, Unterwasserpflanzen und tolle Felsformationen habe ich im Mittelmeer noch nie gesehen. Man muss genau gucken, da die Fische sich schnell in den Seegrasfeldern verstecken und auch farblich nicht so einfach von den Felsen zu unterscheiden sind – ist ja dann doch kein karibisches Korallenriff. Aber es gibt eine Vorstellung wie wohl größere Teile des Mittelmeers einmal unter Wasser ausgesehen haben mögen.
Da sich im Lauf der kommenden Woche ein wirklich gemeiner Wind ankündigt, können wir leider nur zwei Nächte bleiben. Favagnaga ist wie erwähnt ziemlich flach und bietet somit kaum Schutz gegen stärkere Winde oder Wellen. Die zweite Nacht verbringen wir in der Cala Rossa- eine Empfehlung des Rangers für das Umweltschutzgebiet. Nun, den Tipp hat er wohl schon öfter gegeben… Es ist Sonntag und gefühlt jeder Festlandsizilianer der einen Motor an Schwimmkörper montiert hat ist, macht sich morgens auf den nur 6 Meilen langen Weg in diese Bucht – es sind wohl weit über 100 Boote. In einer Bucht, in der bequem 20 Boote liegen können. Und da immer wieder einer mehr oder weniger schnell kreuz und quer durch die Bucht düst, empfiehlt es sich recht nah beim Boot zu schwimmen. Aber ab 16 Uhr leert es sich langsam - je nach Stärke des Motors wird es Zeit aufzubrechen, um pünktlich am 6 Meilen entfernten Abendbrottisch in Marsala zu sitzen. Die Cala Rossa wird von den Einheimischen auch Swimmingpool genannt – nicht ohne Grund. So türkis war das Wasser nicht mal in Sardinien. Und ab 17 Uhr kann man das auch richtig genießen. Schade, dass wir weiter müssen – unter der Woche ist es um die Jahreszeit wahrscheinlich ziemlich leer hier.
Die Südküste Siziliens hat, was ankern und Buchten betrifft, nicht wirklich viel zu bieten, also brechen wir sehr früh in der Morgendämmerung auf, um möglichst weit Richtung Licata zu kommen. Wir passieren Marsala, Sciaccia und laufen schließlich nachmittags in der Marina von San Leone ein, ein kleiner Vorort von Agrigento.
Die Hafeneinfahrt soll versandet sein, und auch insgesamt sind maximal 3 Meter Wassertiefe angegeben. Das gibt wieder Spiel, Spaß und Spannung beim Einfahren. Auch sonst stellen wir fest, dass wir – abgesehen von einem Ausflugsschiff - das größte Boot im Hafen sind – auch das beruhigt nicht unbedingt. Aber alles geht gut, und wir genießen zwei Tage in San Leone. Der kleine Strand direkt neben der Marina hat eigentlich alles, was es braucht- Palmen, feinen Sand und sehr klares seichtes Wasser. Leider trüben die Müllansammlungen das Gesamtbild für uns doch sehr. Wo in Sardinien mit gefühlt 10 Tonnen die Mülltrennung zur Hochkunst erhoben wurde, wird hier alles auf einen Haufen geworfen. Wann das jemals abgeholt wird, keine Ahnung. Oder ob man wartet bis ein Wintersturm alles ins Meer bläst. Es juckt einem in den Fingern das aufzuräumen – aber wohin dann damit?
Auffällig ist auch die Vegetation – hier stehen Bananenstauden und Palmen, Hibiskusbäume und mehr tropisches Pflanzentum - das verspricht ein mildes Klima im Winter.
Am Mittwoch ist es dann soweit- wir nehmen Kurs Richtung Licata, zur Marina Cala di Sole.
Unser Winterort für dieses Jahr. Wir genießen die Fahrt entlang der sizilianischen Steilküste sehr. Als es dann daran geht die Festmacher vorzubereiten und die Fender auszubringen sind wir aufgeregt und wehmütig zugleich. Das aktive Segeln ist für diese Saison wohl vorbei. Jetzt beginnt etwas anderes – Überwintern auf dem Boot, als Teil einer Community in einer Marina.
Wir sind da die Rookies und lernen von den „alten Hasen“. Wir werden herzlich begrüßt, und da wir ziemlich am Anfang des Stegs liegen, kommen alle bei uns vorbei und die meisten halten kurz ein Schwätzchen. Wir lernen Deutsche, Finnen, Belgier, Engländer, Südafrikaner, Kanadier, Spanier, Amerikaner und Italiener kennen. Wenn wir schon nicht den Winter in der Karibik sein können, so werden wir diesen dennoch wohl sehr international verbringen. Es sind an die 80 Personen, die den Winter in Licata verbringen. Diejenigen, die hier überwintern sind fast ausschließlich Menschen, die das Arbeitsleben komplett hinter sich gelassen haben und entweder vollständig auf dem Boot leben, oder „Half-Timer“ sind, das heißt 6 Monate daheim, 6 Monate auf dem Boot. Wobei „daheim“ dann ja auch eine andere Färbung bekommt – „home is where the anchor drops“. Ein junges Paar ist auch erst seit diesem Jahr unterwegs, unser direkter Nachbar stromert seit 17 Jahren im Mittelmeer. Wir mit unserer „Auszeit auf Zeit“ sind hier die Ausnahme. Ich bin total gespannt auf die ganzen Lebensläufe und -entwürfe die hinter diesen 80 Menschen stehen. Auf den ersten Blick alles spannende Persönlichkeiten und Charaktere - im übrigen nicht, wie man jetzt denken würde, alle im Rentenalter.
Die Marina ist schön angelegt, und bietet alles was man braucht. Supermarkt ist um die Ecke, und wir haben auf Empfehlung von Stegnachbarn auch schon eine prima Pizzeria entdeckt.
Von Licata selbst haben wir bis jetzt erst nur ganz kleine Teile gesehen, die waren aber viel versprechend. Aber wir haben ja noch etwas Zeit. Erstmal standen ein paar Arbeiten an, wie Boot waschen und Wassermacher stilllegen. (Aus Marina-Wasser wollen wir definitiv kein Trinkwasser generieren...)
Den Strand haben wir natürlich als erstes erkundet - Gott sei Dank kann man damit was anfangen – pittoreske Felsformationen im Hintergrund, auf einer Länge von geschätzten 2 Kilometern, sehr feiner, gelber Sand, und wunderbar klares Wasser. Derzeit noch bei 25 Grad Wassertemperatur, keine Klagen also.
Ab Freitag erleben wir dann direkt zur Einstimmung richtig stürmische Winde, in den Spitzen knappe 50 Knoten. Und wie bestellt, zum Testen, auch gleich aus verschiedenen Himmelsrichtungen, garniert mit 3 Metern Welle. Und tatsächlich war das ganz gut für uns zu sehen, wie geschützt wir hier denn sind. Die Marina ist quasi doppelt eingekreist von Wellenbrechern. Beim Einfahren kommt man erst in eine Art „Vor-Becken“, mit der Öffnung nach Süden. Am Ende des Beckens rechter Hand sind dann zwei Wellenbrecher verschränkt hintereinander, so dass man im Zick-Zack in das zweite hintere Becken einfährt. Wellen haben es also maximal schwer hier hereinzukommen. Und der kleine Hügel von Licata hält doch zumindest aus Nord-West ein bisschen Wind ab. Die erste Probe hat die Marina also mit Bravour gemeistert und wir haben unseren ersten Sundowner-Freitag als „die Neuen“ in der Marina hinter uns gebracht.
Zuletzt, als Bayern unverzichtbar zu erwähnen: Eine kleine Minute für das Oktoberfest, das es – leider richtigerweise- dieses Jahr nicht geben kann. Ein historischer Moment zumindest für Bayern, und speziell an diesem Wochenende auch für tausende Italiener. Deshalb ein Prost auf das Italienerwochenende - formvollendet geniessen wir da ein HB Bier, in Italien, statt auf der Wiesn.