Sardinien hält alles, was es verspricht und noch viel mehr. Die Karibik des Mittelmeers wird es genannt- und auch wenn uns – noch!- der Vergleich fehlt, so sind wir sicher, dass es diesen Titel zu recht trägt. Wir verlassen schweren Herzens die tolle Bucht von Malfatano und verholen uns 30 Meilen weiter in die Bucht von Porto Pino. Und wider Erwarten ist die noch schöner als die letzte. Hier sehen wir auch die Esense wieder- eine 146er Wally, die immer wieder unseren Weg kreuzt seit wir in Sardinien sind. Denn auch das ist Sardinien- die Insel der Supermegayachten, sei es unter Motor oder wie hier als Segelboot. Auch wenn wir für 2 Personen durchaus Platz haben auf unserer BB, dagegen sind wir winzig. Ich glaube, wir würden bei der Esense aufs Vordeck passen.
Porto Pino
Riesige Dünen umrahmen die Bucht, ellenlanger Sandstrand und absolute Ruhe erwarten uns. Hier werden wir endlich auch einmal zwei Nächte verbringen.
Wir schwimmen und schnorcheln im türkisen Nass, das mit über 25 Grad schon langsam Richtung Badewanne tendiert. Eigentlich ist laut Seekarte dies hier Militär- und somit Sperrzone. Scheint aber niemanden zu stören, und in allen Führern wird dieser Teil der Bucht wärmstens empfohlen. Wir spüren die Präsenz allerdings schon. 3 Mal täglich überfliegt uns ein Militärhubschrauber. Und zwei Boote bekommen Besuch durch die Guardia Finanza. Kurz später verlassen sie die Bucht. Ich nehme aber an, es ging hier eher um den – in ganz Italien – geltenden Abstand von 200 Metern zum Strand. Es ist einfach ganz ganz wundervoll hier. Und absolut ruhig. Morgens können wir tatsächlich vom Boot aus den gesamten Verlauf unserer Ankerkette sehen bis zum gut eingegrabenen Anker. Wahnsinn.
Ich darf vorstellen - unsere Morgensportfolterinstrumente...:
Kuschelsegler
Eher belustigend als verärgernd (wir merken, wir scheinen etwas entspannter zu sein als bei unserem Start) ist, dass auch der Segler sich als Herdentier erweist. Die Bucht ist wie gesagt riesig, wir lagen da ganz alleine… bis 4 andere Segler sich an uns kuscheln… Der Abstand ist ok, deshalb sagen wir nichts. Aber nachvollziehbar ist es dennoch nicht. Schön wäre auch, wenn die Seglerkollegen etwas großzügiger mit der Ankerkette umgehen würden- meist geben die Leute hier gefühlt so viel Kette raus, wie das Wasser tief ist, und dann Motor aus. Ein Schiff hält aber nicht alleine über den Anker sondern in Kombination mit der Kette. Und es macht auch Sinn den Anker einzufahren und nicht nur fallen zu lassen. Nicht sehr vertrauenserweckend, wenn jemand so neben einem ankert.
Ein Boot allerdings schreckt uns dann doch kurzzeitig komplett aus dem Chill-Modus. Der Wind hat aufgefrischt, und fegt mit 25 Knoten durch die Bucht. Wir haben viel Kette draußen und der Anker hält perfekt. Da kommt ein Boot rückwärts im rechten Winkel auf unsere Seite zu, wir hören das Geräusch des ins Wasser fallenden Ankers und sie legen den Rückwärtsgang ein. Als noch ca. 4 Meter zu unserem Boot sind fangen wir an zu brüllen. Die beiden Italiener brechen ihr Ankermanöver dann doch ab und düsen ans andere Ende der Bucht. Aber man fragt sich schon wie in deren Vorstellung das Ankermanöver weitergegangen wäre…
Diverse Nebentätigkeiten
Ich nutze die 2 Tage auch um wieder Brot zu backen, und eine Abdeckung für die Aufhängung unseres Beibootes zu nähen- denn dort reibt es, wenn wir unterwegs sind, und das Metall verursacht böse Flecken und Abrieb am Duda. Dank Inverter funktioniert die Nähmaschine einwandfrei.
Wir bekommen noch einen unwillkommenen Gast, eine Feuerqualle, aber Dank des klaren Wassers können wir sie gut sehen und entsprechend ausweichen. Schönes Tier eigentlich, trotzdem könnte ich gut drauf verzichten. Wir schwimmen dann doch lieber mit Taucherbrille, so gibt es keine Überraschungen von unten.
Guido ist viel mit Wetterrouting beschäftigt. Bedeutet, er beobachtet über Predict Wind die Entwicklung der Windstärken in den nächsten Tagen bis nach Mallorca, um dann genau zu identifizieren, wann wir am besten starten. Um nicht aus Versehen in einen Sturm, aber auch um nicht in eine totale Flaute zu geraten. Donnerstag morgens ist der beste Startzeitpunkt, so das Ergebnis.
Beach Bar Chillen
Die dritte Bucht in Sardinien finden wir auf der Isola di San Pietro, einer kleinen Insel im Südwesten. Von hier aus wollen wir dann Richtung Menorca starten. Auf der Fahrt kommen wir an einem Schiffswrack vorbei, das gerade demontiert wird. Hier ist im Dezember 2019 der Frachter Cdry in die Felsen gefahren. Online finden wir ein Video der Küstenwache, wie die 12 Mann Besatzung per Helikopter abgeborgen wurden. Großen Respekt vor der Leistung der Küstenwache. Im Winter kann das Wetter hier offensichtlich auch ganz anders aussehen. Dass so ein Frachter, ohne vorherige Schäden am Boot, in so eine Lage kommt und auf die Felsen knallt, da gehört schon einiges dazu.
In der Cala Forte fällt unser Anker und wie es der Teufel will gibt es hier eine Strandbar. Da paddeln wir nachmittags mit dem Dude hin, bleiben bis zum Sonnenuntergang sitzen und probieren das lokale Bierangebot. Ganz tolle Stimmung dort und wir genießen den Nachmittag sehr. Und bereuen erst am nächsten Tag das ein oder andere der Biere.
Am nächsten Morgen um sechs Uhr geht’s los Richtung Menorca. Wir freuen uns unheimlich auf die Balearen, vor allem auch um dort liebe Freunde zu treffen. Aber wieder mal verlassen wir einen Ort aus unserer Sicht viel zu schnell. Wir haben kaum Zeit irgendwo länger zu bleiben, und uns wirklich die Landschaft und Ortschaften richtig anzusehen. Das Mittelmeer hat so viel zu bieten. Und gerade bei Sardinien fällt es uns extrem schwer schon wieder aufzubrechen
Von Pizza zu Tapas, natürlich mit Welle
Die Überfahrt ist recht einsam, es sind kaum Schiffe unterwegs. In 1,5 Tagen begegnen uns gerade mal 2 Tanker in großer Entfernung. Wir probieren zum ersten Mal, die Genua auszubaumen. Das bedeutet, wir nehmen einen Spibaum (5 Meter langes Alurohr) und befestigen es im rechten Winkel zum Mast. Jetzt wird die Genuaschot (die Leine, die das Vorsegel hält) durch ein Loch am Ende des Spibaums geführt. Dadurch können wir verhindern, dass bei großen Wellen die Genua immer wieder einfällt und gegen Reling und Wanten knallt. Sie ist quasi fixiert. Das bedeutet ruhigeres Fahren und Materialschonung. Für den Atlantik werden wir das beidseitig machen, mit zwei Segeln vorne. Denn dort kommt der Wind in der Regel von hinten, und mit 2 Genuas kann man ihn mit der größtmöglichen Segelfläche einfangen. Das nennt sich dann Passatbesegelung. Aber erstmal probieren wir eine Seite. Die Welle ist wieder mal ordentlich, diesmal von seitlich hinten, das heißt bei Arbeiten außerhalb des Cockpits Rettungsweste und Anleinen.
Klappt schon sehr gut mit dem Ausbaumen, das haben wir vorher ja noch nie ausprobiert. Wir lassen uns von der Genua ziehen, erst noch mit Motor, später dann ohne. Das Segel stabilisiert auch etwas in der Welle. Angenehm ist trotzdem was anderes. Vor allem von 6 Uhr morgens am Donnerstag bis Freitag nachmittag. Gegen 21 Uhr überqueren wir unbemerkt die Grenze zu Spanien. Als es dunkel wird aktiviere ich zusätzlich zum AIS (Automatic Identification System) den Radar, damit wir auch Schiffe ohne AIS sehen können. Leider sehen wir – nichts. Der Plotter sucht und sucht- und findet kein Radargerät. Bedeutet – im besten Falle- der Radar bekommt keinen Strom, weil ein Stecker rausgerutscht ist. Bei dem Gewackel ja möglich. Guidos Schlafschicht entfällt somit und er sucht den Fehler. Alle Kabel führen aber Strom bis in den Mast rein. Und bei der Welle auf den Mast zu steigen, wo sich das Radargerät befindet - das ist keine Option. Ich möchte gar nicht wissen wie groß der Ausschlag oben am Mast ist bei der Welle hier. Also haben wir nur das AIS. Soweit draußen wie wir jetzt sind, haben aber eigentlich alle Schiffe AIS an Bord, das sollte also gehen. Und bis wir in Landnähe sind, wo gerne mal Fischer ohne AIS rumturnen ist es hell. Nicht gut also, aber kein Drama. Uns wurmt es aber schon, dass gefühlt ständig etwas zu reparieren oder auszutauschen ist. Dabei hat gerade Guido viel Zeit und Planung auf die Vorbereitung verwendet, wir haben ein relativ neues Schiff, das qualitativ wirklich höchster Standard ist, und alle Verschleißartikel haben wir noch getauscht, oder gewartet. Dass Dinge kaputt gehen bei dieser Beanspruchung ist uns klar gewesen. Dass aber bereits im Mittelmeer immer wieder was kaputt geht, damit hatten wir so nicht gerechnet. Aber vielleicht ist das einfach normal.
Mitten in der Nacht gibt es nochmal Aufregung. Die Tiefe wird zwischen Sardinien und Menorca mit 2.800 Meter angegeben. Hin und zurück ein kleiner Morgenlauf in meiner Zählung. Unser Tiefenmesser kann das nicht- er steigt bei ca. 130 Metern aus. Das heißt er zeigt dann die letzte Tiefe an, die er messen konnte. Da steht dann LAST 128 Meter, als Beispiel. Und mitten dort, 100 Meilen vom letzten Ufer entfernt, am tiefsten Punkt, zeigt der Tiefenmesser plötzlich 10 Meter an, dann 9, und schließlich bei 7 Metern wecke ich Guido auf. Wir kontrollieren die Seekarte- da ist nichts. Entweder spinnt also unser Tiefenmesser aus Überforderung wegen der Tiefe- oder da ist irgendwas unter uns. Die Tiefen wechseln immer wieder zwischen 8-10 Metern. Das ist uns unheimlich, wie biegen nach rechts ab. Und- vorbei ist es. Dann gehen wir wieder auf Kurs und nach kurzer Zeit ist es wieder da- 10 Meter Tiefe. Und dann, so plötzlich wie gekommen ist das Phänomen wieder weg. Wir wissen nicht was das war. Aber meine Vermutung ist ein Rudel kleinerer Wale. Unsere Strecke war sehr nah zu einem Walschutzgebiet. Selbst ein großer Fisch, der zufällig auf das Signal des Tiefenmesser trifft wäre nicht so lange „sichtbar“ gewesen, das Ganze dauerte gute 5 Minuten.
Der Rest der Fahrt ist dann doch noch ereignislos gewesen, die Welle nimmt nochmals leicht zu und nervt ziemlich und entlässt uns mit wenig Schlaf in den Freitag.
Meist hängen wir hinten unsere Angel raus - bis jetzt fand das aber kein Fisch sehr attraktiv.
Unterschätztes Menorca
Gegen Mittag erreichen wir Menorca. Wir laufen in den schönen und langen Naturhafen von Mahon ein. Dort kann uns die Welle nicht mehr erwischen. Schon die 3 Meilen lange Fahrt durch den langen „Spalt“ in die Insel hinein ist sehenswert. Rechts und links von Felsen eingerahmt geht ein tiefer gewundener Schnitt in die Insel hinein. Sehr schöne Häuser, die meisten in weiß, mit schönen Halbbögen vor der Terrasse säumen die Felsenkante. Ich mag diesen Stil sehr. Viele haben einen kleinen Weg die Felsen hinunter und Zugang zum Wasser. Im Wasser liegt dann meist ein Motor- oder Segelbötchen vertäut. Das wäre schon auch was als Feriendomizil- Schätze aber das ist eher im hochpreisigen Segment hier.
Wir machen an den „Islas flotantes“ fest, Schwimmstege im großen Naturbecken vor der Stadt, lustigerweise ohne Zugang zum Land. Da mit uns dort nur 4 Boote liegen, und diese recht verlassen aussehen, haben wir unsere Ruhe. Wasser gibt es auch – nicht nur für uns zum Abduschen, sondern auch für die BB. Wir sind alle verschwitzt und salzig nach der Überfahrt, und die Sonne brennt schon wieder runter. Ich ziehe Guido in den Mast, und er überprüft alle Stecker des Radars, und verbindet sie neu. Und siehe da- der Radar funktioniert wieder. Gott sei Dank. Ich dachte schon, wir müssten auf Mallorca einen neuen Radar einbauen. Die Laune an Bord steigt deutlich.
Tapas!
Abends nehmen wir den Duda und machen einen Abstecher in die Stadt. Auf den Balearen ist komplett Maskenpflicht und sie wird hier dankenswerter Weise auch eingehalten. Die Stadtbesichtigung muss für uns leider ausfallen, heute sind wir zu müde von der Überfahrt, und die Temperaturen liegen noch immer bei knapp 30 Grad. Die Maske macht es nicht besser. Und morgen sausen wir leider schon wieder weiter. Aber selbst die kleine Stippvisite zeigt, dass Menorca eine Schönheit ist, die eine genauere Betrachtung verdient hätte.
Generell, auf eigenem Kiel anzureisen, die kleinen und großen Unterschiede in der Vegetation zu beobachten, aber auch die Art der Häuser, der Bebauung an sich, die Menschen, die Sprache, bis hin zum Essen, das ist wirklich ein Privileg, dessen wir uns auch täglich bewusst sind. Mit dem Auto oder Flieger geht diese Veränderung viel abrupter, und wird damit natürlich auch sehr deutlich. Aber diese langsame Veränderung, von Kalabrien zu Sizilien, Sardinien und jetzt Menorca ist faszinierend. Und macht Lust mehr über Land und Leute zur erfahren, tiefer einzutauchen. Bevor ich jetzt aber zu philosophisch werde - wir lassen den Abend in Mahón ganz klassisch bei Tapas und Cerveza ausklingen und schlafen tief und fest ganz ohne Gewackel in unserer schwimmenden Marina. Willkommen in Spanien!