"Es wird Winter"- Der Winter kommt noch nicht wirklich, aber momentan bei uns geflügeltes Wort. Die Temperaturen gehen spürbar runter, das Wetter wird unzuverlässiger und die Wetterfenster ohne starke Winde kleiner. Tagsüber sind es derzeit um die 26 Grad, nachts geht es runter auf 21. Das sind 13 Grad weniger als noch vor einer Woche und fühlt sich für uns ganz ehrlich recht kühl an. Auch das Meer scheint etwas frischer geworden zu sein.
Tharros
Nächster Halt ist die Bucht von Oristano. Auf dem Weg dorthin begegnet uns in 5 Stunden genau ein Boot – man merkt deutlich, dass die Ferienzeit zu Ende geht und die letzten Corona-Ausbruchs Meldungen zu Sardinien tun wohl ihr übriges dazu. Wir bleiben aus diesem Grund übrigens im Süden Sardiniens, und halten uns von Orten wir Porto Cervo, Porto Rotondo und leider auch La Maddalena im Norden dieses Jahr fern. Das kommt auf die Liste für nächstes Frühjahr.
Vor einer römischen Ausgrabungsstätte im nördlichen Teil der Bucht von Oristano sind Bojen gelegt, die von der Gemeinde dort verwaltet werden. Es gibt ein Online-Anmeldeverfahren, inkl. Online Payment. Da kann sich manches Unternehmen eine Scheibe von abschneiden.
Die Boje kostet pro Nacht 15 Euro. Ohne Bezahlung an der Boje erwischt zu werden von der Guardia di Finanza kostet dagegen 344 Euro, so lesen wir bei Navily nach. Das nenne ich mal ein Parkticket.
Wir genießen es nach der Zeit in der Marina wieder direkt vom Boot ins Wasser springen zu können. Das Meer ist hier unglaublich klar. Der Tiefenmesse zeigt 4,5 Meter- beim Blick ins Wasser kommt es einem vor wie maximal ein Meter. Sand und Seetang wechseln sich hier ab und es sind unglaublich viele Fische im Wasser, die in den Seetangteppichen ihren gut geschützten Kindergarten unterhalten.
An Land gibt es ein kleines Dörfchen, und die schmale Landzunge eröffnet einen sehr schönen Strand hinter Dünen. Es erinnert mich sehr an Urlaube in meiner Kindheit- hier ist alles auf Sand gebaut, die Stühle der Bar stehen im Sand, und die Straßen lassen Asphalt ebenso vermissen. Letzteres ist eher unangenehm wenn man zu Fuß zwischen Sand und Staub aufwirbelnden Autos unterwegs ist. Die Luft riecht nach Macchia, und – wie wir als Kinder gesagt haben – Maggikraut.
Wir fragen die Einheimischen nach dem nächsten Supermarkt. Dieser ist wohl ganz nah- mit dem Auto. Als wir erwähnen dass wir zu Fuß unterwegs sind, ernten wir nur hochgezogenen Augenbrauen, Lachen und Kopf schütteln. Und zusätzlich die Info, dass es um die Ecke viele Restaurants gäbe…
Das Angebot des Restaurants nehmen wir für den Moment sehr gerne an, aber so schnell geben wir das Thema Supermarkt nicht auf.
Abenteuer Supermarkt und hoher Besuch
Wir machen am nächsten Morgen den Duda klar und machen uns, quer durch die Bucht, auf den Weg nach Torre Grande. Dort in der Marina können wir anlegen und haben auch noch richtig Glück- wir erwischen direkt einen Bus, der uns in den Ort bringt. 2,5 Kilometer Fußmarsch gespart. Im Ort können wir zumindest das Nötigste besorgen und erwischen 30 Minuten später wieder den Bus zurück. Nochmal 2,5 Kilometer eingespart. Da der Fahrer sämtlich Tempolimits um mindestens das Doppelte überschreitet, sind wir flugs wieder in der Marina. Im Vorbeigehen sehen wir einen Fischer, der sich gerade den Fang der letzten Nacht ansieht- und kaufen spontan für den Abend ein paar Fische. Das gibt ein großartiges Abendessen mit gegrillten Fischfilets.
Am Nachmittag bekommen wir sogar noch Besuch – die Guardia di Finanza kommt vorbei und geht längsseits. Das heißt, sie kommen parallel zur Blue Baloo und vertauen sich an unserem Schiff. Wir liegen dann „im Päckchen“. Die GdF ist in Italien für Schmuggel, Grenzsicherung , Wirtschaftskriminalität, organisiertes Verbrechen und vieles mehr zuständig. Die Bootspapiere und Ausweise werden gecheckt, unser letzter Hafen wird abgefragt – Bosa auf Sardinien. Unser Starthafen – San Giorgio di Nogaro in Italien, und wo wir hinwollen – nach Sizilien. Tests oder dergleichen wollte keiner sehen. Nach 30 Minuten ist alles durch, und die Herren wünschen uns einen schönen Tag. Sehr aufregend, irgendwie wird man da doch immer nervös, auch wenn man gar nichts ausgefressen hat.
Wind und Welle – mal wieder
Da wieder mal härtere Winde angesagt sind, machen wir eine zusätzliche Leine an dem Betonquader fest, an dem unsere Boje hängt. 4,5 Meter tauchen ist für die meisten Leute Pille-Palle, für mich ist es eine echte Herausforderung dort runter zu gehen, die Leine einzufädeln und auch wieder hoch zu ziehen. Aber geschafft! Somit haben wir ein kleines Backup falls die Leine an der Boje nachgibt.
Eigentlich ist die Bucht toll geschützt, da sie fast geschlossen ist – außer nach Süd-West. Nach tagelangem Wind aus Nord-West soll es aber jetzt für 2 Tage Süd-West sein. Da kann sich dann auch aus der Bucht heraus eine Welle aufbauen. Wir sind entschlossen das durchzuhalten – zu gut gefällt es uns hier. Tagsüber hört sich das immer gut an und man kann sich auch etwas heroisch dabei fühlen. Der echte Seemann hält das aus! Nach der ersten von angekündigten 2 windigen und vor allem welligen Nächten, die uns kräftig durchschüttelt, ist die Einschätzung dazu eine andere. Auch Baden tagsüber wird schwierig werden, da das Boot hinten einen ziemlichen Ausschlag hat- und die Badeleiter entsprechend auch. Zudem soll der Wind im Anschluss wieder auf Nord-West drehen, die Welle kommt ja aber noch aus Süden. Und das dauert ein bisschen bis das Meer die Richtung dann wieder ändert. Das ergibt dann den Schleudergang im Boot.
Portoscuso muss sich für nichts entschuldigen
Guido sucht uns nach durchwachter Nacht beim Frühstück eine Marina, und wird in Portoscuso, 60 Meilen weiter im Süden fündig. Schnell zusammenpacken und 20 Minuten später verlassen wir die Bucht von Oristano nach vier wunderschönen Tagen. Der Wind bleibt bei 25 Knoten, von vorne mal wieder. Wir versuchen es kurz mit der Genua, aber sie schlägt nur an die Wanten. Das geht aufs Material. Wir müssten kreuzen – dafür reicht aber die Zeit nicht. Ab 20 Uhr soll der Wind nämlich nochmal deutlich zunehmen, da wollen wir bereits sicher in der Marina liegen.
Portoscuso, so lesen wir unterwegs, ist bei Touristen lediglich als Absprungort für das Übersetzen auf die Inseln San Pietro und Sant` Antioccho bekannt. Das liegt wahrscheinlich auch an dem nicht sehr malerischen Ambiente von Portovesme mit unzähligen Kränen und Industrietürmen im Hintergrund. Auf den ersten Blick wirkt Portoscuso tatsächlich sehr schmucklos. Wir sind aber erstmal froh in der Marina zu sein, gut geschützt vor Wind, und somit ist der Ort an sich für uns zweitrangig. Die Mitarbeiter der Marina sind unglaublich nett und hilfsbereit, die Stege hier stabil, somit ist der Wohlfühlfaktor erstmal gegeben.
Schon am ersten Abend müssen wir allerdings unser vorschnelles Urteil zu Portoscuso anpassen. Wir schlendern durch das Städtchen, auf der Suche nach Abendessen. Die Menschen auf der Straße grüßen freundlich, passend zur Farbenfrohheit der kleinen schmalen Häuschen. Alles strahlt eine positive Stimmung aus. Die Häuser sind klein und eher bescheiden, aber meist sehr gepflegt, und in allen Farben des Malkastens gestrichen. Wenn man durch die Gassen läuft stehen viele Haustüren offen und bieten direkten Blick ins kleine Wohnzimmer und/oder Küche. Vom Sofa aus schallt häufig ein freundliches Guten Abend zu uns raus.
Wir finden eine Pizzeria, mitten auf dem Platz vor der Kirche, die Tür steht offen und wir hören und sehen den gut besuchten Gottesdienst.
Wieder haben wir das Gefühl die einzigen Touristen zu sein, und mit Sicherheit die einzigen Deutschen weit und breit.
Beim Laufen am Sonntag morgen entdecke ich die schöne Strecke am Wasser entlang bis zum Strand. Da werden wir bestimmt noch einige Male hingehen und die Füße in den Sand strecken. Wir freuen uns schon sehr in den nächsten Tagen Portoscuso zu entdecken. Es scheint doch deutlich mehr zu bieten zu haben als nur eine gute kleine Marina. Auf den zweiten Blick haben wir hier ein deutlich unterschätztes kleines, sehr unprätentiöses italienisches Städtchen vor uns, mit sehr gastfreundlichen Bewohnern, einer wilden Küste und schönen Stränden.